Mehr als nur ein Zuhause

Mit einer betont modernen Ausstellung über den Garten in der Kunst wurde am Wochenende die Emder Kunsthalle wieder eröffnet. So bescheiden wie zu Henri Nannens Zeiten gibt das runderneuerte Haus sich nicht mehr

Museen, die ihre wertvollen Bilder heute noch auf die Reise schicken, stellen zunehmend höhere Anforderungen: Personallage, Helligkeit, Raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit – alles ist vorgeschrieben. Früher hätte Emden da nicht mithalten können. Jetzt aber könne man auch die international höchsten Standards erfüllen, heißt es. Das kostet: Die Energiekosten werden schätzungsweise um ein gutes Drittel steigen. Dabei soll die sanierte Kunsthalle 50 Prozent weniger Primärenergie verbrauchen als vergleichbare Neubauten. Dafür liefern unter anderem elf Erdwärmesonden aus 250 Metern Tiefe Energie für Heizung oder Kühlung.  MNZ

AUS EMDEN JAN ZIER

Am Anfang steht Pathos, ein bisschen jedenfalls. Wer durch das neuerdings recht großzügige Foyer der Kunsthalle Emden in den nunmehr überbauten Innenhof flaniert, den erwartet dort eine geradezu barocke Tulpenkomposition. Ein üppig dimensioniertes Triptychon altmeisterlicher Schule, den Verfall inszenierend. Und doch ein Werk des vergangenen Jahres, geschaffen von der Brasilianerin Luzia Simons.

Die architektonisch großzügige Szenerie steht stellvertretend für das neue Bild, Selbstbild der Emder Kunsthalle. Henri Nannen, der Erfinder des Stern, hat sie vor gut 20 Jahren erbaut – um, wie er sagte, „meinen Bildern ein Zuhause“ zu geben. Eine ansehnliche Sammlung des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit, die er seiner Heimatstadt zeigen wollte. Und doch hatte der Bau wenig mit dem gemein, was heutige Sammlermuseen auszeichnet, etwa die Sammlung Brandhorst, der im ohnedies kunstverwöhnten München dieser Tage ein etwas kapriziöser Neubau errichtet wird – in prominenter Lage, versteht sich. Weit über 50 Millionen Euro wird jenes Privatdenkmal für zeitgenössische Kunst kosten. Alles bezahlt vom Freistaat Bayern.

Nannens Kunsthalle dagegen fügte sich stets betont unauffällig und bescheiden in die kleinmaßstäbliche Umgebung am Rande der Emder Altstadt ein, in rotem Klinker gehalten, so wie die umliegenden Reihenhäuschen auch. Mit zurückgezogenem Eingang und üppigem Grün davor, sodass manche BesucherIn da zunächst in der benachbarten Malschule landete. Die sah man wenigstens von weitem schon.

In den 80ern kostete Nannen dieses „Zuhause“ 6,6 Millionen – D-Mark wohlgemerkt. Er verkaufte dafür sein Motorboot und eine Ferienwohnung auf Sylt. An der Kasse saß eine freundliche Dame, die nebenher auch noch als Sekretärin fungieren sollte. Inzwischen sind gut zwei Millionen BesucherInnen gekommen, jährlich gut doppelt so viele, wie die Stadt EinwohnerInnen zählt. Zu Edvard Munch strömten vor zwei Jahren gar 120.000 Menschen, binnen eines Vierteljahres, und zu zwei Dritteln kamen sie aus der Region. Ein Ansturm, „fast nicht mehr zu bewältigen“, wie Kunsthallen-Sprecherin Ilka Erdwiens heute sagt.

Jetzt ist man gerüstet. Am Wochenende, zur Wiedereröffnung des Hauses, kamen gut 3.500 Menschen, und im Foyer soll immer noch Platz gewesen sein. Gut sieben Millionen Euro hat der 20-monatige Umbau gekostet, mehr als die Hälfte davon haben das Land und die EU bezahlt. Dort, wo früher rustikale Ziegelwände standen, der Boden mit roten Fliesen ausgelegt war, das Holz an der Decke naturfarben glänzte, strahlt nun glattes, lichtes, sachliches Weiß über eichenhellem Parkett. Ruhe ist eingekehrt. Und außen, in der Blickachse der Stadt, dominiert eine weithin sichtbare gläserne Fassade, mit großzügiger Terrasse und kleinem Bootsanleger zur Ems hin. Die alten Bäume sind aber weg, dafür gab es auch einige Kritik in der Stadt, und die neuen sind noch etwas klein und kahl.

Der „Garten Eden“ ist derzeit ja ohnehin drinnen angesiedelt, auf 1.700 Quadratmetern, in der aktuellen Sonderausstellung. Eine Beschäftigung mit dem Garten in der Kunst seit 1900, eine jedenfalls nach eigenen Angaben erstmalige Wanderung, mit gut 200 Arbeiten von mehr als 100 KünstlerInnen, einige davon eigens für diese Ausstellung geschaffen. Da dürfen Lovis Corinth und August Macke nicht fehlen, Emil Nolde und Claude Monet, Camille Pissaro und Max Liebermann. Die üblich Verdächtigen eben. Gewissen allgemeinen Erwartungen muss schließlich Rechnung getragen werden, gerade in einem Haus, dass sich zu einem Drittel selbst finanziert. Sie werden nicht enttäuscht. Aus der eigenen Sammlung stammt übrigens nur ein einziges der gezeigten Werke, aber Nannens Bilder sind ja meist ausgiebig im Sommer zu sehen, der Touristen wegen.

Und doch erliegt die Sonderschau nicht allein der Versuchung der großen Namen, beschränkt sich nicht allein auf vermeintlich nahe liegende Im- wie Expressionisten. Den Charme der Betulichkeit haben die Ausstellungsmacher durch den wiederholten Bruch mit der Moderne gekonnt vermieden, und dabei auch auf allzu viel romantische Klischees verzichtet. Vor allem aber auf Chronologie. Vor dem Nolde etwa steht eine weiße Kunstharzskulptur des jungen Spaniers Luis Vidal, der „Gefährliche Garten I“ von 2006. Ein ängstlich dreinblickender Junge kauert da am Boden, umgeben von einer Schlange, von phallischen Blüten.

Nebenan hängt Gotthard Graubners fast schon monochrom grünes „A cura di curare“ von 1995 vis à vis eines kolossalen Dia-Leuchtkasten mit üppig blühendem Pflanzenwerk. Und noch ein Raum weiter präsentiert sich das schrullige, scheinbar mit allerlei Nichtigkeit angefüllte „Laboratorium“ des Klaus Fritze. Der Mann war einst ein promovierter Biologe am renommierten Max-Planck-Institut, und wiewohl er all das inzwischen hingeschmissen hat – so ganz kommt er nicht los: In Dutzenden von Glasflaschen pflanzte er zweierlei Binsensamen in eine Nährlösung, es entstanden lauter autarke Biotope. Zusammen ergäben sie, rein biologisch betrachtet, den WM-Rasen von 2006.

Bis 30. März 2008, Eintritt 10 Euro, erm. 7; Informationen unter: www.kunsthalle-emden.de