berliner szenen Stilfragen

Muttermilch und Nikotin

Wirklich wichtig war, dass C. keine Tomaten essen darf. Das macht ihre Muttermilch irgendwie unverdaulicher. Das hatte ich gelernt. Knoblauch geht auch nicht. Nützliches Wissen. Und trotzdem trieb mich in den letzten Tagen anderes. Die Suche nach dem neuen Lieblingscafé, das bestimmte Vorgaben zu erfüllen hatte, von denen ich aber auch nicht genau wusste, welche es sind. Rauchen zum Beispiel. Da gab es dieses Café in der Wrangelstraße. In Weiß und Pastell. Jeder Blick durch die Räume klickte sich fest und speicherte ein Foto, klar und perfekt ausgerichtet, wie aus einer „So schön könnte Ihr Leben sein“-Zeitschrift.

Auf solchen Bildern sind nie Aschenbecher. Deswegen darf man hier bestimmt nicht rauchen, auch weil das ganze Weiß bald gelb wäre. Dafür gibt es stillfreundliche Speisen, und dann ist so ein Rauchverbot auch vollkommen okay. So aus Stil(l)gründen. Im nächsten Café hatte ich den suchenden Blick nach Aschenbechern schon vergessen, deswegen sagte ich aus Versehen etwas lauter „aaah“, als ich den rauchenden Mann am Tresen sitzen sah. Der tadelte mich später, weil ich meine Zigarette an einer Kerze anmachte, und so kamen wir ins Gespräch über die leuchtenden Äpfel an Computern und kaputte Brillen, und schon hatte ich das Kaffeezittern, das durch Rauchen auch nicht besser wird. Mehr noch fragten wir uns, ob das Unbehagen allein durch die Trotzigkeit über das Verbot entsteht oder ob es die Traurigkeit ist darüber, dass man bald kein Ersatzzuhause mehr hat. Weil das ist ja das Café, nur dass man nicht allein ist, den Besuch aber nicht belustigen muss. Wahrscheinlich aber ärgerte uns das Nachdenken überhaupt. Die Konfrontation mit dem Laster, wo man sich doch mit reiner Muttermilch beschäftigen könnte. LAURA EWERT