„In Bremen sind die Leute aufgeschlossener“

Neele Leana Vollmar hatte mit ihrem Filmdebüt „Urlaub vom Leben“ Kritiker und Publikum begeistert. In Oldenburg eröffnete jetzt das Filmfest mit ihrem neuen Werk. Ein Gespräch über Drehorte, den Mittelstand und die Verklärung des Gewöhnlichen

taz: Frau Vollmar, Auf dem Oldenburger Filmfestival sind Sie mit ihrem zweiten Langspielfilm „Friedliche Zeiten“ zu Gast. Gar nicht weit von dort, in Bremen, haben Sie ihren ersten Film gedreht, „Urlaub vom Leben“.

Neele Leana Vollmar: Das hat viel Spaß gemacht. In Städten wie Bremen, in denen nur selten gedreht wird, sind die Leute viel aufgeschlossener und hilfsbereiter als etwa in Berlin und München, wo sie von den ständigen Filmerei nur noch genervt sind.

Und warum in Bremen?

Ich bin zwischen Bremen und Oldenburg aufgewachsen. Aber die Geschichte hätte auch wo anders spielen können.

Der Film zeigt die Stadt Bremen nicht immer von der besten Seite. Da filmen Sie etwa in einem Hotel aus den 70er Jahren, das gut als Bausünde durchgehen kann. Was reizt sie an solchen Orten?

Erst einmal müssen die Orte im Film die Geschichte befördern und die Gefühlslage der handelnden Personen unterstreichen. Im Film „Urlaub vom Leben“ treibt der Protagonist ziellos durch die Stadt. Und landet natürlich in einer beliebigen Absteige, nicht im Park-Hotel. Andererseits sucht man auch immer nach speziellen Orten. Nach Orten, die der allgemeinen Aufmerksamkeit entgehen, sei es, weil sie abseitig liegen, sei es, weil sich keiner etwas von ihnen verspricht. Da einen neuen Blick drauf zu werfen, sie in einem anderen, neuen Licht zu zeigen, scheint mir sehr spannend zu sein.

Kulturkritiker meinen, unser Ortsgefühl sei im Schwinden begriffen, bedingt durch die allgemeine Beschleunigung des Lebens und der Verlagerung ins Virtuelle.

Vielleicht kann da das Medium Film etwas korrigieren. Ich merke jedenfalls gerade an meinem nächsten Projekt, wie viel Zeit und Arbeit die Motivsuche in Anspruch nimmt. Man hat einen Charakter und dann baut man sich alles drum herum: Wie sieht es zuhause bei ihm aus, wie sieht bei ihm am Arbeitsplatz aus, wie in seiner Lieblingskneipe. Locations sind eins der wichtigsten Dinge im Film.

Und wie finden Sie die?

Dafür gibt es die Szenenbildabteilung und die Location-Scouts. Da schickt man Leute los, dann gibt es Vorauswahlen, dann schaut man sich’s an, vergleicht und wägt ab. Bis zur Entscheinung ist es immer ein langer Weg.

Ihr neuer Film „Friedliche Zeiten“ erzählt von einer durch den Ost-West-Konflikt traumatisierten Familie und spielt zu großen Teilen in einer Reihenhaussiedlung.

Der Film spielt im Jahr 1968 und wir wollten diese Zeit einmal nicht als Aufschwung zeigen, sondern in ihrer Muffigkeit. Darum die Siedlung, die in Wirklichkeit eine ausgediente Kaserne ist. Zudem passt die Szenerie gut zu Irene, der Hauptfigur des Films, die aus der DDR geflüchtet ist, sich aber zurücksehnt und sich mit der Enge in der Siedlung ein Stück DDR hinübergerettet hat.

In beiden Filmen geht es um ganz gewöhnliche Lebensentwürfe, letztlich liefern Sie Bilder einer nivellierten Gesellschaft. Haben Sie ein Faible für den Mittelstand?

Mit dem Mittelstand können sich einfach die meisten Menschen identifizieren. Und ich finde auch, dass in dieser Schicht am meisten passiert, dass die Geschichten dort am spannendsten und schönsten sind. Bewusst und beabsichtigt habe ich mich aber nicht dem Mittelstand zugewandt.

Zugleich wird das Gewöhnliche und Alltägliche in ihren Filmen verklärt, der harten Realität am Ende ein Schnippchen geschlagen. In „Urlaub vom Leben“ dient Ihnen dazu eine feenhafte Taxifahrerin, in „Friedliche Zeiten“ sind es ein paar außergewöhnlich starke und liebenswerte Kinder.

Ich halte einfach sehr viel von Hoffnung. Es kann eine ganze Weile traurig zugehen in meinen Filmen, aber mir ist es wichtig, dass der Zuschauer mit einem Schmunzeln das Kino verlässt.

Interview: MAXIMILIAN PROBST

„Friedliche Zeiten“ läuft ab 18. September

Fotohinweis:Neele Leana Vollmar, 29, wurde in Bremen geboren. Heute lebt die Regisseurin in München. 2000 nahm sie an der Filmakademie Baden-Württemberg ein Studium auf, das sie mit ihren ersten Spielfilm „Urlaub vom Leben“ 2005 abschloss. Momentan arbeitet sie an der Verfilmung eines Romans von Jan Weiler.