clinton, palin etc.
: Fiktiver Kampf der Titaninnen

Die US-Medien sind immer noch begeistert über Sarah Palins Nominierung als running mate von John McCain. Dieser Schachzug mag sich auf den ersten Blick zwar wie ein billiges Strategiespiel aus einer Seifenoper ausnehmen, nachdem Hillary Clinton es als erste Frau beinahe an die Spitze der Geschichte der Vereinigten Staaten geschafft hatte. Aber: Wenn sich Politik nach der narrativen Logik einer Soap entwickelt, lassen sich damit Fernsehminuten und Zeitungsseiten viel besser verkaufen! Also legen sich die amerikanischen Medien, was Sarah Palin betrifft, gerade mächtig ins Zeug und holen aus dem Thema raus, was rauszuholen ist – und manchmal auch ein bisschen mehr. Die für das Vizepräsidentenamt erschreckend unqualifizierte Gouverneurin aus Alaska ist so tatsächlich zu einem politischen Star geworden, der der Starpower von Hillary Clinton den Rang abläuft.

Die Absurdität dieser Entwicklung brachte kürzlich ein imaginiertes Duell in der NBC-Sendung „Saturday Night Live“ auf den bitteren Punkt. Komikerin Tina Fey, die aussieht, als wäre sie Palins intelligente Zwillingsschwester, tönte dort: „Sind das nicht aufregenden Zeiten, in denen wir leben? Noch vor zwei Jahren war ich die Kleinstadtbürgermeisterin von Alaskas Chrystal-Meth-Hauptstadt. Und nun bin ich einen Herzschlag von der Präsidentschaft entfernt. Das zeigt, dass jeder Präsident werden kann!“ Kollegin Amy Poehler, die Clinton-Impersonatorin der Show, entgegnete: „Ha. Ja. Wirklich jeder!“

„Saturday Night Life“ ist eine der Sendungen, die in gewohnter Manier dort einsetzen, wo die amerikanischen Mainstreammedien versagen. Wenn Stand-up-Komiker und Meinungskolumnisten die Fantasie eines femininen, politischen Wrestlingmatches zwischen Clinton und Palin fiktiv umzusetzen, ist das als dringend notwendige Gesellschaftskritik zu verstehen. Der Sketch entlarvte nicht nur „die hässliche Rolle, die Sexismus in der Politik spielt“ als ein opportunistisches Scheinargument der Republikaner. (Poehlers Clinton kommentierte: „Ein Thema, von dem ich überrascht bin, zu hören, dass sich Leute plötzlich darum scheren!“) Sondern er nahm auch die ziemlich perverse Logik der politischen Real-Life-Soap aufs Korn. Während Fey/Palin, ein imaginatives Gewehr bedienend, verführerisch für die Kamera posierte, schnarrte eine wütende Poehler/Clinton: „Ich habe mich durch Morast und Stacheldraht gescharrt und gekratzt, und du bist mit deiner Schönheitswettbewerbsschärfe und deiner Tina-Fey-Brille auf einem Hundeschlitten nach Washington gerutscht!“

Maureen Dowd, die Kolumnistin der New York Times, setzte dem Ganzen vor ein paar Tagen die satirische Krone auf. Erst verlieh sie ihrem Bedauern Ausdruck, dass Obama das Land durch seine Entscheidung gegen Clinton des Fernsehereignisses des Jahres beraubt habe, nämlich einem Vize-Videoduell, bei dem Clinton Palin mit Verve in der Luft zerreißt. Sodann stellte sich Dowd in einer Kolumne mit dem Titel „Kampf der Titanen“ kurzerhand das inzwischen nicht unbedingt unwahrscheinliche Präsidentschaftsduell von 2012 vor: Die eiserne Hosenanzug-Lady würde spätestens dann die Midi-Röcke tragende, Elche schießende und Bücher zensierende Hockey-Mom zurück in den hohen Norden schicken. Wie jede gute Seifenoper ist also auch diese auf eine lange Laufzeit angelegt. DANIEL SCHREIBER