berliner szenen Im Familienbetrieb III

Die Abwaschbürste

Meine Chefin ist überglücklich, denn gestern war ihr lieber Hund Isolde zurück. Zwei Tage war er weg gewesen, nun sabbert er wieder durch die Bürogänge und windet sich zum Schlafen um die Kloschüssel im Damenklo. Sein Frauchen hat ihn gleich mit einer Extraportion Futter begrüßt.

Bei der Gelegenheit haben wir entdeckt, dass unsere Chefin seinen Futternapf mit derselben Abwaschbürste reinigt, mit der wir unser Geschirr säubern. Das finden wir alle eklig, aber man kann es der Chefin nicht sagen, sie ist die Schwester des Firmenbesitzers.

Wir beobachten nun dauernd unsere Chefin. Das ist leicht, denn der Senior hat früher mal alle Wände zwischen den Büros rausreißen und durch Glas ersetzen lassen, weil er die Leute so besser unter Kontrolle hatte. Wir können uns so auch wunderbar gegenseitig beobachten und so merken wir, wenn die Chefin nach dem Hundefutter greift. Jedes Mal, wenn die Chefin nun den Hundenapf gesäubert hat, stürzen wir in die Küche, schmeißen die Bürste weg und tauschen sie gegen eine neue aus. Wir haben sechzig neue gekauft! Weil es auffallen würde, wenn zu oft die Farbe der Bürste wechseln würde, haben wir gleichfarbige genommen, alle hellblau. Teuer war das, wir mussten zusammenlegen.

Als ich heute in die Küche komme, steht der Senior da und hat unsere Bürsten aus ihrem Versteck gezerrt. „Fräulein Sowieso“, sagt er. „Was soll das? Wer hat das bezahlt? Was das kostet!“ Er stopft sich die hellblauen Bürsten in die Jackentaschen, die Bürstenköpfe gucken raus und dann geht er davon und schimpft lauthals weiter. Jetzt muss ich über Mittag neue Bürsten besorgen. Vorerst verstecke ich die letzte nicht für den Hundenapf benutzte Bürste in der Lampe. Sicher ist sicher. ANNETTE SCHWARZ