In der globalen Dorfdisko

Die brasilianische Band Cansei de Ser Sexy spielte in der Maria. Bühnenpräsenz: super. Modern sind CSS auch. Blöd nur, dass die neuen Stücke nicht an die alten heranreichen

Neulich stand irgendwo geschrieben: Das Beste, was Füße tun können, sei tanzen. Aber stimmt das? Schon einfaches Gehen kann manchmal die bessere Idee sein. Und manche Füße tun besser daran, gegen einen Ball zu treten als zu tanzen.

Am Mittwochabend hatten viele Füße den Weg in die Maria auf sich genommen. Dort wurden sie nicht gewaschen, sondern standen erst einmal lange herum. Der Einlass war um acht, das Konzert begann um zehn – eine clevere Strategie, am Getränkeverkauf zu verdienen. CSS aus Saõ Paolo hatten keine Vorband geladen, sondern konsequenterweise eine DJane, die anständige Partymusik auflegte. Bis dann endlich die Band die Bühne betrat.

CSS sind selbst so etwas wie eine Partyband in Zeiten der Globalisierung. Eine Band, die auch dank ihrer differenzierten Vorbildangebote ein breites Partypublikum findet: CSS kommen aus einem Moloch, der sich anschickt, nicht nur eine der größten, sondern auch modernsten Städte dieser Welt zu werden. CSS bestehen aus zwei Männern in der Rhythmusfraktion, dem eher unscheinbaren, manchmal an ABBA erinnernden Schlagzeuger Adriano Cinta und dem Bassisten Iracema Trevisan, der sich dank seines Schnäuzers bei jeder Village-People-Revival-Band ebenfalls gut machen würde. Dazu gibt es drei feminin orientierte Frauen an den Gitarren und Tasteninstrumenten und in der Mitte Luísa Hanaê Matsushita, genannt Lovefoxxx, eine kleine Brasilianerin mit japanischem Migrationshintergrund, ausgewiesene Partymaus und sympathische Freundin von jederfrau und jedermann, die vom britischen Popmagazin NME 2006 zu einer der coolsten Personen der Welt gewählt wurde.

Am Mittwoch hatte sie eher ein Haarproblem, ein Problem mit ihrem Dutt, der sich selbständig machte und irgendwann doch gelöst wurde. Das Konzert bestritt sie in einem lustigen Einteiler, zur Zugabe wechselte sie in einen anderen und trug dazu eine Art Kranz aus Lederhandschuhen um den Hals. Richtig: CSS – was für „Cansei de Ser Sexy“ steht, was in etwa „Müde, sexy zu sein“ heißt – wissen, was Vintage Mode ist, sie kommen aus Kunsthochschulzusammenhängen, und ihr Erfolg erklärt sich auch durch Spots für Videospiele und tragbare Musikabspielgeräte, in denen ihre Songs auftauchten. Ihre Musik ist eine Mischung aus elektronischer und Gitarrenmusik, mit Baile-Funk- und gelegentlichen Reggae-Elementen. Die Texte drehen sich weniger um die Probleme als durchaus scharfzüngig um die Lichtseiten der globalisierten Welt: Spaß, Alkohol, Partys, Koffer in Helsinki, Paris Hilton.

Im Prinzip sind CSS also eine gute Partyband, sie könnten die B-52s des neuen Jahrtausends sein. Das Konzert am Mittwoch zeigte aber auch: Die Stücke des neuen, zweiten Albums „Donkey“ rocken nicht, obwohl die Platte gitarrenlastiger ist als das Debüt. Aber Stimmung kam erst mit den älteren Hits auf: „Off The Hook“ sorgte für Wogen, pogo-ähnliches Hüpfen und lockte einige wenige Frauen zum Stagediven auf die Bühne. „Alcohol“, als Liebeslied angekündigt, ist eine lässig groovende Hommage an eine weit verbreitete Volkskrankheit, die in jungen Jahren dank enthemmender Wirkung zu Recht sehr geschätzt wird. „CSS SUXXX“ spielten sie allerdings genauso wenig wie ihre selten gewordenen brasilianischsprachigen Stücke – obwohl viele Portugiesisch sprechende Menschen da waren. Der Rest plätscherte dahin, kurzweilig wurde das Konzert durch die immer in Bewegung und im Austausch mit dem Publikum befindliche Lovefoxxx.

Ihr größter Hit hat den schönen Titel „Let’s Make Love And Listen To Death From Above“ und eröffnete die Zugabe, die mit „Alala“ zu Ende ging. Danach war die Party vorbei. Die Füße trugen die Menschen nach Hause.

RENÉ HAMANN