Stil mit Wumms

Das Modelabel Felder Felder wird von zwei Zwillingsschwestern aus dem Bergischen Land gemacht, die heute in London leben und arbeiten. Sie zeigen ihre neue Kollektion auf der Fashion Week – leicht ungepflegten, aber sexy Grunge-Punk-Glam-Chic

Rund zwanzig Designer werden bis Sonntag in Berlin Einkäufern und Journalisten ihre Herbst-/Winterkollektionen für 2009/2010 vorstellen, darunter bekannte Marken wie Joop und Strenesse sowie die kleineren Labels Bernhard Willhelm, Felder Felder, Markus Lupfer, Kaviar Gauche und Lala Berlin. An zwei junge Designer wird ein Förderpreis vergeben. Die acht Nominierten zeigen am Freitag ihre Entwürfe auf dem Laufsteg im Zelt am Bebelplatz. Parallel zur Mercedes-Benz Fashion Week Berlin, wie ihr voller Name lautet, finden zwei Ordermessen statt: Premium in den Ausstellungshallen am Gleisdreieck und Stark im alten Umspannwerk am Paul-Lincke-Ufer.

VON ELISABETH RAETHER

Es wird für Berlin keine leichte Woche werden. Heute beginnt die vierte Fashion Week. Berlin hat sich, so gut es ging, hübsch gemacht, aber wieder wird es nicht reichen. Wieder wird man die Stadt belächeln für ihren provinziellen Geschmack und ihre stilistische Ahnungslosigkeit. Man wird die Schönheit von Paris und die Coolness von New York loben, und unsere arme kleine Stadt wird betreten zu Boden blicken.

Tatsächlich könnte man bei der Berliner Modewoche manches besser machen. In Paris gibt es Champagner und pastellfarbene Macarons, hier kriegt man als akkreditierter Journalist eine hässliche Nylontasche als Goody Bag mit einer Flasche Bier und irgendwelchem billigen Makeup drin in die Hand gedrückt. Die Vorbehalte sind berechtigt. Deutschland modisch ein Brachland, kein Verständnis für Mode, keine Tradition, Socken in den Herrensandalen, dann auch noch Berlin: winziger Flughafen, kein einziger Prada-Store, Suzy Menkes weiß nicht mal, dass in Berlin eine Modewoche ist.

Schon klar: Junge Designer zeigen hier, deren Namen keiner kennt und deren Entwürfe noch sehr nach Modeschule aussehen; außerdem wird es Fußgängerzonen-Mode von Hugo Boss und Ugg Australia geben. Aber wird denn wirklich gar nichts Interessantes passieren? Zumindest ist unter den Designern, die ihre Kollektionen zeigen, auch das Label Felder Felder. Die Zwillingsschwestern Annette und Daniela Felder haben das Label 2006 gegründet. Sie sind in Wipperfürth im Bergischen Land aufgewachsen. Allerdings leben und arbeiten sie nicht in Deutschland, sondern in London, wo sie am Central Saint Martins College of Art & Design studiert haben. In Berlin zeigen sie nun ihre Herbst-/Winter-Kollektion 2009/2010.

„Unsere Entscheidung, eine Show in Berlin zu machen, ist von der internationalen Modeindustrie mit großer Begeisterung aufgenommen worden“, sagen sie sogar. Es läuft sehr gut für das junge Label. Sie haben Awards gewonnen, bekamen Fördergelder von Topshop, die großen Londoner Kaufhäuser Selfridges und Browns Focus verkaufen ihre Kollektionen. Die eine oder andere Hollywood-Schauspielerin wurde in Entwürfen von Felder Felder fotografiert.

Das alles ist wichtig für ein kleines Label, denn nur, wenn die Finanzierung funktioniert, lassen sich Ideen verwirklichen. Eine dieser Ideen ist die, Kontraste zu inszenieren. Die aktuelle Frühjahrskollektion kombiniert an Hautfarbe erinnernde Nude-Töne mit knalligen Farben wie Acqua und Koralle. Oder Leder mit Chiffon: Eine Bluse aus zartem, sehr beweglichem Chiffon umspielt den Körper, ein Rock aus hellem Leder, das bearbeitet wurde, bis es glatt, fast gehärtet aussieht und metallisch schimmert, stellt die Konturen wieder her und nimmt der Silhouette die Eindeutigkeit. Ein steingraues fließendes Chiffonkleid schließt am Dekolleté mit einem Ledersaum ab, der mit Nieten besetzt ist. Bei der Schau für die vielbeachtete Winterkollektion 2008 trugen die Models wunderschöne lila Kleidchen oder bodenlange, respekteinflößende Roben in Schwarz und dazu Doc Martens, wie die Punks, die am S-Bahnhof Alexanderplatz laut auf den Boden spucken.

Das Kombinieren von Kontrasten ist in der Mode eine Tradition, die weit zurückreicht. Annette und Daniela Felder verweisen auf die Bilder von Lucas Cranach (dem Älteren und dem Jüngeren). Dort tragen Frauen durchsichtige Stoffe und dazu schwere, üppige Halsketten und Armreife. Aber eigentlich erleben die leicht depressive Lässigkeit und Abgeklärtheit der Neunzigerjahre bei Felder Felder ein Comeback: eine sehr schicke Form des Grunge sozusagen. Reality-bites-artig werden Lederarmbänder mit goldenen und silbernen Nieten zu Seidentops getragen. Ein grauer Strick-Cardigan heißt „Cobain“ und hängt gelangweilt am zarten Körper des Models herunter.

Die Show der Felders am Sonntag am Bebelplatz wird vielleicht ein wenig darüber hinwegtrösten, dass hier keine ganz großen Namen anzutreffen sind. Es ist doch so: Ein kleines Label wie das der Felders zeigt einen Stil, der edgy ist, der Wumms hat. Den leicht ungepflegten, aber sexy Grunge-Punk-Glam-Chic, den man zurzeit in den Modeblogs dieser Welt sieht, kann, seien wir ehrlich, ein großes Haus in dieser Konsequenz überhaupt nicht anbieten.