berliner szenen Rosenmontag

Einhorn und Hase

Letztes Jahr am Rosenmontag: Meine Tochter und ich sind unterwegs zum Fasching. Sie im Hasenkostüm, ich mit Papphasenohren auf dem Kopf. Unterwegs gehen wir noch mal zum Bäcker. Vor uns versucht ein Mädchen in den Laden hineinzukommen. Es hat ein Einhornkostüm an, weißes Fell mit goldenen Flecken. Aber die Handschuhe, die es trägt, hindern es am Weiterkommen. Das sollen wohl Hufe sein, mit denen das Kind allerdings nichts anfassen kann. Es bekommt nicht mal die Tür auf, so sehr es sich auch abmüht.

Am Bäckertresen ist das Kind vor uns dran und verlangt eine Schrippe. Auch das Bezahlen wird nun zum Problem, denn mit den Hufen bekommt es sein Portemonnaie nicht aus der Tasche. „Soll ich helfen?“, frage ich. Ich hole das Portmonee aus der Hosentasche und bezahle. Die Verkäuferin reicht die Tüte mit der Schrippe herüber. Nun möchte das Kind essen, bekommt aber mit den Hufen die Schrippe nicht zu fassen. „Kannst du die komischen Hufe nicht ausziehen?“, fragt meine Tochter.

„Die sind total eng, ich krieg die nicht runter“, sagt das Mädchen. Wie will sie dann beim Fasching einen Becher Saft halten oder auch nur aufs Klo gehen, frage ich mich, sage aber nichts. Meine Tochter kichert. „Soll ich dich füttern?“, fragt sie. Das Mädchen kichert auch und nickt. Meine Tochter nimmt die Schrippe aus der Tüte. Sie hält die Schrippe ganz fest, und das fremde Mädchen beißt ab. Ich guck auf die Hasenohren meiner Tochter und muss grinsen. Ein Hase füttert ein Einhorn. Meine Tochter denkt wohl gerade dasselbe. „Ich durfte noch nie ein Einhorn füttern“, sagt sie. Das fremde Mädchen nickt und kaut. Dann antwortet es: „Ja, und mich hat noch nie ein Hase gefüttert!“

ANNETTE SCHWARZ