Zum Mitsingen

Marc Almond spielt zweimal in der Passionskirche. Die Berliner Konzerte des Briten waren immer klasse

Oft trügt einen die Erinnerung: Eigentlich war ich mir sicher, Marc Almond nach seinem furchtbaren Motorradunfall im Oktober 2004 in Berlin gesehen zu haben. Stimmte aber nicht: Das letzte Mal war Marc Almond 2001 bei der tollen Soft-Cell-Reunion-Tour in der Columbiahalle aufgetreten. Ich hatte Live-Erinnerungen mit Internetvideoerinnerungen verwechselt. Dieses großartige BBC-Interview etwa, in dem er so wunderbar britisch über den Unfall, das tagelange Koma und wie er dann wieder allmählich zur Sprache fand, gesprochen hatte. Aber auch Videos von seinem ersten Auftritt danach. Außerdem hatte ich vor paar Jahren seine tolle Autobiografie „Tainted Life“ gelesen und immer mal wieder „Say hello wave goodbye“, „Tenderness is weakness“ oder „Tainted Love“ in der Karaokebar und zu Hause dann „Something’s gotten hold on my heart“ gesungen.

In den letzten 25 Jahren hab ich jedenfalls viel Lebenszeit mit meinem Lieblingsstar verbracht. Jede Frau, die ich kennenlernte und die manchmal so ähnlich aussah wie Marc Almond, musste sich stundenlang Almond-Videos von Derek Jarman mit mir angucken. Ein paar Monate hatte ich auch erwogen, mein Suhrkamp-Buch dem sehnsüchtig-pathetischen Sänger zu widmen. Marc Almond hatte die Verzweiflungen des eigenen Liebeslebens illustriert. Einen meiner ersten großen Artikel hatte ich mit Harald Fricke zusammen über Marc Almond geschrieben und noch vor zwei Jahren mit dem verstorbenen Freund und Kollegen Almonds letztes Album „Stardom Road“ angehört. Das Bowie-Cover „London Boys“ hatte uns am besten gefallen.

Was soll man sagen: tolle Karriere. Mit den Mambas, den Willing Sinners, Soft Cell, dann solo mit dem großartigen „The Stars We Are“-Album, das schöne Jacques-Brel-Album, der nicht nur persönliche (Drogen), sondern auch künstlerische Absturz mit dem Tiefpunkt eines Gastauftritts bei Rosenstolz, das Sich-wieder-Erholen, die Zusammenarbeit mit Antony, der seine Sache würdig weiterführt usw.

Die Berliner Auftritte von Marc Almond waren immer klasse! Das erste Mal, als er Anfang der Neunziger, glaube ich, in der Passionskirche sang, war’s auch komisch, schließlich hatte er enge Beziehungen zu Anton LaVeys „Church of Satan“. Das nächste Mal in der Passionskirche kam’s einem normal vor. Nun spielt er dort zweimal hintereinander. Ich freu mich aufs Mitsingen. DETLEF KUHLBRODT

Passionskirche, 12./13. 4., 20 Uhr