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: Der lange Weg nach ganz unten

Talent und Psychose liegen so nah zusammen wie Genie und Wahnsinn: Der „First Tycoon of Teen“ Phil Spector, in dessen Haus vor sechs Jahren die Leiche einer 40-jährigen Schauspielerin entdeckt worden war, ist gestern von einem Geschworenengericht in Los Angeles wegen „Mordes mit bedingtem Vorsatz“ verurteilt worden. Er muss nun, neben einer millionenhohen Schadensersatzklage, mit einer Haftstrafe bis zu 18 Jahren rechnen. In einer mentalen Zelle saß Spector allerdings schon lange.

Der Vater des 1940 in der Bronx geborenen Musikproduzenten beging Selbstmord, als Spector neun Jahre alt war – und bescherte ihm damit seinen ersten Hit mit der Band Teddy Bears. Denn dessen Titel „To know him is to love him“ war seines Vaters Grabinschrift gewesen. Seit den späten 60ern, als Spectors Erfolge als Produzent von Megahits wie „Be my Baby“ von The Ronettes oder „Da Do Ron Ron“ von The Crystals vorbei waren, wurden in der Öffentlichkeit vor allem genüsslich Geschichten über sein exzentrisches Verhalten kolportiert: Wie er für die legendären „Wall of Sound“-Aufnahmen (unter anderem für die Beatles) mehrere erstaunte Sessionmusiker gleichzeitig einsetzte, die jeder nur einen Akkord spielen mussten. Wie er „My sweet lord“ für George Harrison produzierte und nicht merkte, dass das Stück die gleichen Akkorde wie der Hit „He’s so fine“ von The Chiffons hatte, und sich somit Plagiatsvorwürfen ausgesetzt sah. Wie der kleine Mann, der gerne Perücken trug, aus Angst vor dem Alleinsein versuchte, Besucher seiner Villa mit Gewalt am Verlassen zu hindern. Wie er eine seiner Ehefrauen, die Ronettes-Sängerin Ronnie Spector, immer wieder bedrohte und ihr aus Eifersucht eine Phil-Spector-Puppe ins Auto setzte, bis sie 1972 schließlich die Scheidung einreichte. Wie er Waffen sammelte und Leonard Cohen eine Pistole an den Nacken hielt. Wie er alle Arten von Pillen und Schnaps konsumierte, um Psychosen und Älterwerden auszuhalten. Und wie er schließlich an jenem Februartag 2003 mit einer Pistole in der Hand aus seinem Haus kam und laut Aussage des Chauffeurs sagte: „Ich denke, ich habe jemanden getötet.“

Oder hatte der Chauffeur sich verhört? Denn der erste Prozess scheiterte, weil nicht alle Geschworenen von der Schuld Spectors überzeugt waren. Zwei von ihnen glaubten damals seiner Version eines Selbstmords der Frau. Bevor nun der zweite Prozess die Schuld Spectors feststellte, hatte sich der Angeklagte weiter in typischer Manier benommen. Bei der Beerdigung von Ike Turner 2008 etwa zog Spector über dessen Exfrau Tina her, dass es der Presse eine Freude war. Seinen Schuldspruch nahm der eulengesichtige Mann ohne äußerliche Regung auf, und die Popgeschichte ist um eine traurige Legende reicher.

JENNI ZYLKA