Alle folgen falschen Göttern

EPISODENFILM Mit „God Man Dog“ hat die taiwanesische Regisseurin Singing Chen einen Film gedreht, der gern poetisch wäre, meist aber pittoresk bleibt

Man sieht: Chings (Popsängerin Tarcy Su) Hände überlebensgroß in der Stadt, auf Plakaten. Sie ist ein gefragtes Handmodel, aber nach der Geburt ihres Kindes stürzt sie in eine Depression, aus der sie die mal geduldigen, mal verzweifelten, aber immer mit hohen Kosten verbundenen Bemühungen ihres Mannes nicht reißen können. Trüb und schwer sind ihre Tage.

Man sieht: den taiwanesischen Ureinwohner Biung (Ulau Ugan), der Pfirsiche verkauft, der gegen seinen Alkoholismus kämpft, an einen frömmelnden Pastor gerät, dessen Tochter die Familie flieht, eine Freundin findet und großes Talent als Kickboxerin beweist.

Man sieht: den Transporterfahrer Niu Jao (Jack Kao), der mit seinem Lkw buddhistische Götter in einem Glaskasten durch die Gegend chauffiert. Nachts, wenn es dunkel ist, und die Götter im Licht des Glaskastens leuchten, ergibt das fast surreale Bilder. Niu Jao fehlt ein Bein, uralt ist die Prothese und er sammelt Geld für eine neue.

Man sieht: den Straßenjungen Xian (Jonathan Chang), der immerzu Hunger hat und unendlich viel essen kann und aus dieser Fähigkeit bei Wettessen Profit zu schlagen versteht. Als ihm der Transporterfahrer Niu Jao einmal aus der Patsche hilft, wird daraus nach gewissen Anlaufschwierigkeiten fast etwas wie eine wunderbare Freundschaft.

„God Man Dog“ ist ein Episodenfilm, der all seinen Figuren etwas Raum gibt und etwas Zeit. Der Regisseurin Singing Chen ist es sehr darum zu tun, diesen Raum und diese Zeit zu Bildern zu verdichten, deren dringender Wunsch, poetisch zu sein, dann manchmal tatsächlich zu Poesie führt, in der Regel aber doch eher zum Pittoresken.

An Schicksalen von Einzelfiguren reich ist der Film, diese weiter zu entfalten fehlt dann die Zeit. Alle folgen sie falschen Göttern, was wohl – wenn man die Botschaft richtig versteht – daran liegt, dass man als Mensch besser gar keinen Göttern folgt, sondern sich die Bestimmung durch eigenes Handeln selber gibt. Gottgleich allerdings greift dann, wie es bei Episodenfilmen dieser Art üblich ist, das Drehbuch ein. Ein Autounfall führt die verschiedenen Stränge für einen Moment zusammen.

„God Mad Dog“ plädiert sehr dafür, dass ein jeder sein Schicksal selbst in die Hand nehmen möge. Dafür lässt er seinen Figuren erstaunlich wenige Freiheitsspielräume. Eine jede von ihnen hat, für sich oder auch über Kreuz, einen sehr genau zugemessenen Teil der vorgesehenen Botschaft zu tragen. Man wünschte fast, es würde sich eine von ihnen gegen ein Drehbuch empören, das mit – programmatisch: sanfter – Gewalt die Dinge nach eigenem Gutdünken fügt und keinen Raum für womöglich Nichtpassendes lässt.

EKKEHARD KNÖRER

■ „God Man Dog“. Regie: Singing Chen. Mit Tarcy Su, Jack Kao, Chang Han u. a., Taiwan 2007, 119 Min., im fsk-Kino