Am Ende wird gut gelacht

FINALE Zum Saisonende spielen die Opern Komödien: Rossinis „Cenerentola“, Haydns „Orlando Paladino“ und Eduard Künnekes „Vetter aus Dingsda“

Britisch beschließen die Deutsche und die Staatsoper die Saison – und beide nicht wirklich mit eigenen Produktionen. Die Deutsche Oper hat keine Scheu, mit Rossinis „Cenerentola“ nachzuspielen, was Sir Peter Hall vor vier Jahren fürs Glyndebourne Festival inszeniert hat. Die Staatsoper ist aktueller, hat aber (weil Daniel Barenboim mit seiner Staatskapelle in New York Mahler spielen musste) das Freiburger Barockorchester engagiert, um unter der Leitung von René Jacobs Haydns „Orlando Paladino“ aus der historischen Versenkung zu holen. Diese im Untertitel „heroische Komödie“ hat 1782 im Schloss von Ersterháza Furore gemacht, Nigel Lowery hat sie mit Amir Hosseinpour zusammen so inszeniert, wie es nun mal seine Art ist: als Kulissengemälde mit Theaterfiguren aus Monty Pythons Zirkus.

Auch Sir Peter Hall liebt am Theater die Kulissen und Schauspieler, die aussehen wie Schauspieler. Unterhaltsam ist beides sehr, vor allem weil das deutsche Regietheater für einmal Pause macht. Entspannt ließen sich subtile Späße und ironische Spitzen genießen, nur verlangt diese Art des Theaterspiels, auf die Oper angewandt, eine ebenbürtig souveräne Darbietung des musikalischen Textes. Daran scheitern peinlicherweise beide Ausflüge auf den britischen Theaterkontinent. An der Deutschen Oper verwackelt der Dirigent Guillermo García Calvo schon die Ouvertüre, und richtig schlimm wird es, wenn Mario Zeffiri als Prinz Ramiro seine Auftritte hat: näselnd falsche Töne, stocksteif und so laut geschrien, dass man um die Gesundheit dieses unglücklichen Mannes fürchtet und sofort versteht, warum Rossini Tenöre gehasst hat. Die anderen sind besser, aber nicht gut genug für Halls Theater, einzig Ruxandra Donose tröstet als Aschenputtel über die musikalische Mittelmäßigkeit hinweg.

Tragischer liegt der Fall bei René Jacobs. Er gibt im Programmheft zu, dass er Haydn nicht so recht versteht, und genau das ist zu hören. Heftig und pedantisch taktschlagend versucht Jacobs mit aller Gewalt, aus dieser Musik, die pure, ausgereifte Wiener Klassik ist, eine typische Barockoper zu machen. Das geht so gründlich schief, dass es in den Ohren schmerzt. Ein miserabel barockfiedelndes Orchester, ein Knödeltenor und das übrige, durchweg schulmäßig brav und langweilig singende Ensemble verhindern die Wiederentdeckung dieses geistreichen Werkes des großen Joseph Haydn, obwohl ihm Lowery ein kongeniales Gewand gestrickt hat.

Die Komische Oper spielt eigentlich in einer anderen Klasse, aber es ist so wie mit der Hertha, die plötzlich fast deutscher Fußballmeister ist. Mit Begeisterung hat sich Regisseurin Cordula Däuper in die Aufgabe gestürzt, mit Künnekes „Vetter aus Dingsda“ die Berliner Operette der 20er-Jahre wiederzubeleben. Das ist gar kein Problem, weil wir heute Bollywood haben. Ständig laufen im Bühnenhintergrund Szenen aus solchen Filmen, davor singen und spielen Leute von heute, was Künneke und seine Librettisten vor 88 Jahren an Herz, Schmerz und Klamauk draufhatten. Der gesprochene Text hätte gekürzt werden sollen, aber die Lieder sind mindestens ebenso gut wie die Soundtracks aus Bombay oder Dingsda – und um Klassen besser als alles, was bei DSDS zu hören ist.

Anders als bei den Großen ist die Saison damit noch nicht vorbei. Die Komische Oper stellt Ende Juni noch die Uraufführung eines Stücks ihres Hauskomponisten Christian Jost vor: Hamlet, nach Shakespeare. Kleiner geht’s wohl nicht, aber wer die Unterhaltungsmusik eines Eduard Künneke so ernst nimmt, wie sie es verdient, darf auch ein bisschen größenwahnsinnig sein.

NIKLAUS HABLÜTZEL