Zwei aufgeschlagene Knie und eine Hochzeit

Getragenes Gitarren- und Bläserpathos und schwärmerisch-schwülstige bosnische Texte über grüne Augen

Was für eine Liebesgeschichte. Die 19-jährige bosnischstämmige Elena Carla Cosovic sieht in einem Kopenhagener Club die zwölf Jahre ältere DJ Carla Cammilla Hjort beim Plattenauflegen und verknallt sich Hals über Kopf. Damit die Gefühle auch bloß erwidert werden, klettert Elena kurzerhand aufs DJ-Pult und stürzt sich als todesmutige Stagediverin wie bei einem Punkkonzert in die tanzende Masse. Das Ergebnis: zwei aufgeschlagene Knie, genäht mit 15 Stichen, aber auch eine bevorstehende Hochzeit.

Und nicht zu vergessen: ein Duo-Album, das die beiden als DJ-MC-Pärchen unter dem Titel „Feed The Horse“ als gegenseitiges Hochzeitsgeschenk aufgenommen haben. Unter dem passenden Bandnamen „Fagget Fairys“, der sich zwar eigentlich über falsch geschriebene homophobe Beschimpfungen aus dem Internet lustig macht, letztlich aber alle Facetten des Projekts wunderbar rund auf den Punkt bringt: den selbstbewussten lesbischen Aspekt der Liebesgeschichte, der in der Tradition einer Rückeroberung pejorativer Ausdrücke Stolz markiert, einerseits. Und andererseits das Märchenhafte dieser Liaison, die ja sicher nicht umsonst, so denkt man sich, in der Heimatstadt des berühmten Märchenautors Hans Christian Andersen ihren Ausgang genommen hat.

Einfach war es wohl nicht für die im Säuglingsalter aus Exjugoslawien mit ihrer muslimischen Familie geflohene Cosovic, ihr Umfeld von der Romanze mit Hjort zu überzeugen. Mehrfach begabt sind beide Musikerinnen. Während Cosovic bereits als Model arbeitete sowie als Handballerin aktiv war, macht Hjort außer Musik auch Kunst, Filme und organisiert in Dänemark sehr bekannte Partys.

Schwierigkeiten irgendwelcher Art hört man ihrem Debütalbum, das raffiniert zwischen Dancefloor und Balkanpathos shiftet, allerdings nicht an. Die Musik ist aufgeladen mit pumpenden Beats zwischen Grime, Baile-Funk und alten, wiederbelebten Bekannten à la TripHop, Jungle oder Electro.

Elena rappt und singt dazu anzüglich lasziv über Woman-on-woman-Sex. „I love my girls big on the top / big on the bottom too / I want to ride them / I want to make them ride me / Feed the horse myam myam“ heißt es in der Single-Auskopplung „Feed The Horse“, die schon seit Monaten nicht nur in dänischen Clubs auf Dauerrotation läuft. Und dass „das Pferdchen füttern“ eine nicht ganz jugendfreie sexuelle Anspielung ist, können sich auch Heteros an zwei Fingern abzählen.

Aber neben den knallenden Clubtracks, die sich nicht mit Subtilitäten aufhalten und auch mal wie in „Mary Jane“ drogenfreundlich die Wohltaten des „homegrown Mary“ besingen, gibt es auch noch die andere Seite des Albums. Die geht mit ihrem getragenen Gitarren- und Bläserpathos und den schwärmerisch-schwülstigen bosnischen Texten über wunderschöne grüne Augen und der Suche nach Liebe ironischerweise nicht primär auf das Konto von MC Ena, sondern von DJ Sensimilla mit ihrer Vorliebe für Balkan-Beats. Was für eine Symbiose! SONJA EISMANN

■ Fagget Fairys: „Feed The Horse“ (Music For Dreams/Edel)