ELTERN, KINDER, KLOBÜRSTEN
: Guter Nachwuchs ist gefragt

LIEBLING DER MASSEN

ULI HANNEMANN

Der neue Tchibo-Katalog ist da. Darin wird eine „WC-Bürste mit Griffsicherung“ für nur 9,99 Euro beworben. Neben einer Abbildung der Bürste findet sich ein kleiner Artikel: „Peter Franke hat eine WC-Bürste erfunden, die nicht so einfach von Kindern aus dem Behälter entnommen werden kann. Nur wenn man den Griff zusammendrückt, kann man die Bürste entnehmen. Für Kinder ist dieses Prinzip nicht auf den ersten Blick zu durchschauen.“

Dazu ein kleines Foto von einem freundlich dreinblickenden Mann mit Brille und blauweiß gestreiftem Hemd, vermutlich Peter Franke. Hätte ich so eine WC-Bürste mit Griffsicherung erfunden, würde auch ich endlich mal so freundlich gucken.

Warum Kinder die WC-Bürste dem Behälter nicht so einfach entnehmen können sollen, muss ich als Kinderloser mir zunächst zusammenreimen. Es ist, da bin ich mir sicher, wegen dem Reporterspielen. Wie sieht das denn sonst aus, mögen sich die Eltern denken; es klingelt an der Tür, das Kind öffnet und hält dem hohen Besuch ein Mikrofon in Form einer weißen Klobürste, an deren Borstenspitzen noch die Scheiße klebt, mitten ins Gesicht und stellt kluge Fragen: „Mr President, was haben Sie sich dabei gedacht, Teddybärhausen zu bombardieren?“

Aber die Eltern machen sich umsonst Sorgen: wenn der Gast nicht kotzt, dann lacht er bestimmt gutmütig. Das Kind möchte Reporter werden? Dann sollte man es unterstützen. Guter Nachwuchs ist gefragt, denn schließlich ist es bei den erwachsenen Reportern oft genau andersrum – da sind die Fragen Scheiße: „Mr President, was haben Sie sich dabei gedacht, bei der Bombardierung von Teddybärhausen noch zwei Schuppen stehenzulassen?“

Das sage ich den Eltern ja immer wieder, dass sie die Neigungen des Kindes fördern sollen. Die Eltern seufzen dann, ich als Kinderloser habe ja gut reden, und was ich denn glaube, wie sich das für eine Mutter anfühle: ständig laute Schreie aus dem Kinderzimmer, zu Gefangenentransportern umgebaute Matchboxautos, Tomatenketchup, Pappguillotinen und geköpfte Teddybären, nur weil es sich der Junge in den Kopf gesetzt habe, Henker zu werden. Oder eine Armee geschminkter Puppen, spärlich bekleidet links und rechts den Flur entlang an die Wand gelehnt: Töchterchen spielt mal wieder Straßenstrich.

„Mein Güte, Kinder“, antworte ich daraufhin, aber meinetwegen sollten sie, die Eltern, ruhig zu Tchibo rennen und sich eine WC-Bürste mit Griffsicherung kaufen. Nur bitte keine Fronten aufbauen. Denn ich selber hätte es schließlich auch nicht leicht: Sie als Eltern wüssten ja gar nicht mehr, wie es ist, wenn statt hellem Kinderlachen aus zehn fröhlichen Mündern nur Seufzer die Stille durchschneiden, die sich hohl und klagend an den eiskalten Wänden immerleerer Zimmer brechen, wie aus fremder Kehle entfahrend, und doch ist es stets die eigene.

Oder wie bequem sie es haben, wenn sich der Tag quasi automatisch strukturiert: Um fünf Uhr aufstehen, Biobrote schmieren, Kinder wecken, noch mehr Biobrote schmieren, um halb sechs noch mal die Kinder wecken, noch mehr Biobrote schmieren, um sechs dann die Kinder anschreien, um halb sieben anziehen, um sieben wieder ausziehen, weil sie sich vollgekotzt haben, um halb acht in die Kita oder an die Uni bringen, während unsereiner, halb depressiv vom Mangel an Lebensfreude und Verantwortung, perspektivlos in den Tag hineindämmert, das Bett ein quälend weiches Gefängnis für Körper, Geist und Seele. Und abends seien sie, die Eltern, rechtschaffen müde, während der Kinderlose unruhig durch die Lokale zieht, mit dem guten Geld, das er an den Kindern spart, Schlaf und Gesundheit verheerend.

Kindseltern werden auch nicht von einer Christine Schmidt aus Berlin-Rudow an den Leserbriefpranger der Zitty gestellt, als gesellschaftstötendes Element, das „restbekifft oder alkoholisiert darüber philosophiert, was man denn mal tun könnte“. Wer solche Fronten zieht und darüber vergisst, dass Egozentrik pränataler Pate der eigenen Kinder war, wuchtet wahrscheinlich auch den Kinderwagen wie einen Rammbock durch die minderwertige Menge aus kinderlosen Drohnen und unfruchtbaren Missgeburten. Bahn frei auf dem Weg zu Tchibo!