Spielfilm "Eine Perle Ewigkeit": Fausta duckt sich

Der Spielfilm "Eine Perle Ewigkeit" hat den Goldenen Bären auf der Berlinale 2009 gewonnen. Er findet starke Bilder dafür, wie Traumata und Terror weiterleben.

Dieses Leid ist nicht kleinzukriegen: Fausta. Bild: neue visionen

Dieses Leid ist nicht kleinzukriegen. Nicht mit Tapferkeit, nicht mit Märtyrertum. Es ist viel zu monströs, als dass ein einzelnes Menschenleben reichen könnte, um es zu überwinden. Deswegen summt und singt Faustas Mutter, wenn das Erlebte sie heimsucht. Sie singt von dem toten Penis ihres Mannes in ihrem Mund, vom Ersticken und der großen Dunkelheit. Und von den Schwänzen ihrer Vergewaltiger, die gegen die Fruchtblase und das Kind darin rammen. Irgendwann stoppt der Gesang, mit dem sie sich selbst in den Schlaf wiegt, und dieses zerstörte Leben ist vorbei. Tochter Fausta singt nun stellvertretend, das Trauma geht weiter. Es überträgt sich, so der Mythos, von den Eltern auf die Kinder. Fausta hat sich eine Kartoffel in ihrer Vagina geschoben. Das soll sie vor dem Schicksal der Mutter schützen. Doch mit dem Fremdkörper in ihrem Unterleib keimt die Angst, die sie nicht mehr verlassen wird. Fortan duckt sich Fausta an Fremden vorbei, senkt den Blick, wenn man sie anspricht, und hastet panisch nach Hause, wenn sie einmal keinen findet, der sie begleiten kann.

Faustas Panik, die Ohnmachten und das ständige Nasenbluten sind nicht die Stigmata einer Heiligen. Es sind die Symptome eines terrorisierten Landes, in dem nichts wieder ganz oder gut zu werden scheint. 70.000 Menschen wurden in Peru zwischen 1986 und 2000 ermordet. Im Kampf der maoistischen Guerilla "Leuchtender Pfad" und der Regierung unter dem zwielichtigen Präsidenten Fujimori wurde gefoltert, gekidnappt und vergewaltigt. 2001 wurde eine sogenannte Wahrheitskommission ins Leben gerufen, die die Verbrechen aufklären, die Täter anklagen und der Opfer gedenken soll.

Im Film heißt es einmal, es gebe kein Papier, das die Existenz der indianischstämmigen Bevölkerung bezeugen, für die Nachwelt sichtbar machen könnte. Wer nicht verschwinden will, muss erzählen, sich erinnern, singen. Und in einer verstörend sanften Melodie trägt sich der Schrei der Quechua sprechenden Indígenas durch die Generationen und stemmt sich gegen Vergessen und Untergang. Im Lied greift der Film damit zurück auf das kollektive Unterbewusste einer uralten Kultur. Eine, in deren Ontologie Dinge, Ereignisse, Taten und ihre Effekte nicht verloren gehen können. Und nach dieser alten Ordnung gehört auch der Körper der Verstorbenen zurück in die Erde des Dorfs, aus dem er stammt.

Fausta muss eine Stellung als Hausmädchen annehmen, um diesen Transfer zu finanzieren. Ihre Arbeitgeberin, eine Pianistin, der die Inspirationen ausgegangen sind, bittet Fausta, für sie zu singen. Zum Tausch soll die Bedienstete für jede Darbietung eine Perle erhalten. So kaufen die Reichen die Lieder der Armen wie einst die Kolonialherren das Land der Indios mit einer handvoll bunter Glaskugeln.

Das ist in der Parallelität nicht gerade subtil, auch das moralische Gefälle zwischen oben und unten ist ein bisschen platt und allzu erwartbar. "Eine Perle Ewigkeit" von Claudia Llosa, der Nichte des Schriftstellers Mario Vargas Llosa, hat seine Stärken nicht unbedingt im dramaturgischen Feinschliff. Sie liegen in den puristischen Gesten, dem zurückgenommenem Spiel und vor allem in dem ikonenhaft strengen, klaren Gesicht seiner Heldin Fausta. Magaly Solier, die Llosa bereits im Vorgängerfilm "Madeinusa" für die Leinwand entdeckte, umhüllt ihre Figur mit einer anrührenden Melancholie.

Verhuscht und verloren sehen wir Fausta von ihrem Zimmer im Haus des Onkels zur Arbeit hasten. Dabei muss sie über hunderte von Stufen von den unwirtlichen Wüstenbergen der Stadtrandsiedlung hinunter ins Zentrum Limas. Diese grotesk lange Steintreppe durch ein zugiges Nichts findet in den lackierten Treppchen aus dem Fundus des Onkels, der Hochzeiten ausstattet, ihr knalliges Pendant. Mit rosa Stoff bespannte Stufen, die nirgendwohin führen und das Brautpaar nur für die Dauer eines Fotos ein bisschen erhöhen. Die im Staub flatternden Banderolen, davor aufgedrehte Hochzeitsgäste, lassen die Siedlung künstlich erstrahlen. Mit dieser bonbonbunten Attrappenwelt, die Faustas Familie ernährt und die tote Mutter unterm Bett fürs Geschäft nicht gebrauchen kann, spannt Llosa das Leiden seiner Heldin klug ein in eine Welt, die nichts lieber täte, als zu vergessen und in eine Ewigkeit aus Zuckerbäckerei und arrangierten Fotos vom "schönsten Tag des Lebens" abzutauchen.

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