Das DHM zensiert sich selbst

„Während innerhalb Europas die Grenzen verschwinden, schottet sich die Gemeinschaft der EU zunehmend nach außen ab. Die ‚Festung Europa‘ soll Flüchtlingen verschlossen bleiben.“ So stand es auf einer Tafel der Ausstellung „Fremde? Bilder von den Anderen in Deutschland und Frankreich seit 1871“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Am Eröffnungstag der Schau waren diese Sätze auf der Tafel, die sich den neuen Gesetzen zu Staatsangehörigkeit und Zuwanderung widmet, jedoch durch eine ganz andere Botschaft ersetzt worden: „Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fördert seitdem staatlicherseits die Integration von Zuwanderern in Deutschland.“ In einem aktuellen Artikel der Zeit ist zu lesen, die Änderung sei einer Zensurmaßnahme von Kulturstaatsminister Bernd Neumann geschuldet.

Zwar ist die Rede von der „Festung Europa“ problematisch, weil sie Flüchtlinge ganz im Sinne der Geisteshaltung, die sie eigentlich bekämpfen will, in die Nähe von feindseligen Eroberern rückt. Dennoch ist dieser politische Kampfbegriff einer Wahrheit verpflichtet: Die europäischen Regierungen wollen den Zustrom von Einwanderern möglichst auf Hochqualifizierte begrenzen. Das lässt sich politisch vielleicht sogar begründen. Ein Fakt ist es allemal, der auch durch orwellianische Interventionen nicht zum Verschwinden gebracht werden kann. Jeden Monat wird zwar einigen hundert Leuten in Deutschland der Status von Flüchtlingen zuerkannt, gleichzeitig aber werden Armutsflüchtlinge durch Zäune, Patrouillenboote, Hubschrauber und administrative Maßnahmen daran gehindert, in Europa ein besseres Leben zu suchen.

Bernd Neumann hat durch seinen Sprecher gegenüber der taz energisch den Vorwurf der Zensur zurückgewiesen. Und der Generaldirektor des Museums, Hans Ottomeyer, hat bestätigt, dass er selbst die Änderung des Texts angewiesen hat. „Wie immer“ habe er die Ausstellungstexte vor der Eröffnung dem „zuständigen Referat“ des Ministers „zur Verfügung gestellt“. Dessen „berechtigte Nachfragen“ habe er zum Anlass genommen, „in eigener Verantwortung Modifizierungen vorzunehmen“.

Niemand wird bezweifeln, dass das Deutsche Historische Museum auch der Repräsentation des Selbstverständnisses der Bundesrepublik Deutschland dient. Das ist nicht verwerflich. Dass der Direktor des Hauses dieses Selbstverständnis aber gegen Kritik zu immunisieren versucht, ist kein gutes Zeichen. Eine Institution der Wissenschaft und Bildung ist entweder autonom in ihren Entscheidungen, die strikt der Sache verpflichtet sind, oder sie kann ihren Laden zumachen.

ULRICH GUTMAIR