Kolumne Fernsehen: Apocalypse Now

Mag die Welt auch untergehn, das Fernsehen bleibt gewiss bestehn.

Es ist nicht leicht, Jugendliche im Schulunterricht zu erschüttern. Aber es ist möglich. Vor einiger Zeit habe die Klasse gemeinsam einen Film über die drohenden Folgen des Klimawandels gesehen, erzählt ein junges Mädchen aus Berlin. Manhattan versinkt in den Fluten, Bangladesch wird von der Erdoberfläche getilgt. Die Kinder sind hart im Nehmen. Keine Reaktion. Aber man kann jeden knacken - man muss nur wissen, wie. "Dann kam eine wirklich schreckliche Nachricht", sagt das junge Mädchen leicht ironisch. "Die Eisbären werden im Schmelzwasser ertrinken." Kollektives "Ooooohhhh", gemeinsame Trauer. Einige Augen werden feucht.

Keine Missverständnisse, bitte: Es ist nicht so, dass sich hinterher irgendjemand für den Klimawandel mehr als vorher interessiert hätte. Wir reden hier nicht über Wunder, wir reden von Gefühlen. Und es ist ja auch ein schöner Erfolg für Lehrer, wenn es ihnen gelingt, Jugendlichen eine der fundamentalen Erfahrungen auf dem Weg ins Leben mitzugeben: den Zauber der Sentimentalität.

Kleinere Kinder sind dafür noch nicht so empfänglich. Eine ägyptische Bekannte ging kürzlich mit einigen Erwachsenen und einer Gruppe Zehnjähriger in den britischen Dokumentarfilm "Das Zeitalter der Dummheit". Darin blickt ein Mann im Jahr 2055 von einer verseuchten Erde auf die Vergangenheit und analysiert - unter anderem anhand von echtem Nachrichtenmaterial verschiedener Fernsehsender - wie es zu der Katastrophe kommen konnte.

Als sie aus der Vorstellung kamen, fragten die Kinder die Erwachsenen, warum die eigentlich ihren Abfall auf die Straße warfen, bevor sie in die vielen verschiedenen Autos einstiegen, mit denen sie zum Kino gefahren waren. Man sieht: Zehnjährige sind für derlei Filme einfach noch zu klein. Sie nehmen manches doch allzu wörtlich.

Erwachsene tun das seltener - es sei denn, es gibt überhaupt keinen Grund dafür. Manche Leute halten den Krimischriftsteller Dan Brown für einen Sachbuchautor. Und Regisseur Roland Emmerich hat seinen neuen Katastrophenfilm "2012" mit so viel pseudowissenschaftlichem Geraune und Hinweisen auf angebliche Weltuntergangsprophezeiungen der alten Maya angereichert, dass sich die US-Raumfahrtbehörde Nasa zu dem offiziellen Hinweis veranlasst sah, all das entbehre jeder realistischen Grundlage.

Gut zu wissen. Immerhin enthält "2012" so einiges, was sensible Seelen verstören kann. Die Kontinentalplatten der Erde verschieben sich. Riesenfluten, die Ausbrüche gigantischer Vulkane und natürlich Erdbeben zerstören so ziemlich alles auf der uns bekannten Erde. Milliarden Menschen - jawohl: Milliarden! nicht kleckern, sondern klotzen! - sterben eines schrecklichen Todes.

Nicht schön, das. Sogar so unerfreulich, dass die filmische Apokalypse die Tatsache zu überdecken droht, dass Emmerich in Wahrheit eine - nein, zwei Botschaften der Hoffnung an die Welt schickt. Die erste: Was immer auch geschehen mag, wir sind nicht schuld. Wir hätten auch nichts verhindern können. Die Sonne ist nämlich schuld, irgendwie, und die Maya haben es schon immer gewusst. Die zweite Botschaft: Mag die Welt auch untergehn, das Fernsehen bleibt gewiss bestehn. Dem Vernehmen nach plant der Regisseur eine Fortsetzung des Kinofilms als TV-Serie. Titel: "2013".

Wenn das keine gute Nachricht ist! Ob in der Serie auch einige Eisbären mitspielen dürfen, die nicht ertrunken sind? Hat der Berliner Zoo bereits eine Bewerbung für Knut eingereicht? Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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