St. Pauli-Film "Gegengerade": Stumpf ist Trumpf

Der Film "Gegengerade" will die Fankultur des Hamburger Fußballvereins St. Pauli feiern. Herausgekommen ist ein Sammelsurium von üblen Klischees.

Der große Promi: Mario Adorf als zerstörter Kioskbesitzer. Bild: dpa

HAMBURG taz | Immer wieder schlägt der Polizist zu. Arne liegt am Boden, das Gesicht voller Blut. Er ist längst erledigt, aber der Polizist schlägt ihm trotzdem immer wieder ins Gesicht. Kein Zweifel, der Polizist will Arne nicht nur besiegen, sondern verletzen. Vielleicht sogar töten. Das Bullenschwein.

Die Szene stammt aus dem Film "Gegengerade", der ab heute bundesweit in ausgewählten Kinos zu sehen ist. Regisseur Tarek Ehlail, 29, bringt in dem Film prominente Schauspiel-Profis mit aus der Szene stammenden Komparsen zusammen. Das tat er bereits bei seinem Kinodebut "Chaostage - We Are Punks".

Die Szene bei "Gegengerade" sind die Fans des FC St. Pauli. Diesen Fans will der Film ein Denkmal setzen. Das allerdings geht in die Hose: Die Welt der FC St. Pauli-Fans besteht in "Gegengerade" aus Klischees und Gewaltexzessen. Es ist eine männliche Welt, in der Frauen nur als fußballfeindliche Freundin, als Prostituierte oder als gluckende Mutter auftauchen. Eine armselige Welt, die vorgibt, braun-weiß zu sein - und nur schwarz-weiß ist.

Es geht um die drei Freunde Magnus, Kowalski und Arne, alle Mitte 20 und Hardcore-Fans des FC St. Pauli. Magnus ist der entscheidungsunfähige Sohn aus reichem Elternhaus, den seine Selbstblockade dazu treibt, parkende Autos in Brand zu stecken. Arne ist ein Filmemacher, der eine Dokumention über jene Fanszene dreht, der er selbst angehört. Kowalski ist ein Automechaniker, den die Polizei irrtümlicher Weise wegen den Brandstiftungen jagt, für die Magnus verantwortlich ist.

Ferner treten auf: Ein ekelhafter Immobilienmakler, der die Gentrifizierung auf St. Pauli vorantreibt. Ein ekelhafter Polizeichef, der die linken Fans zusammenknüppeln lässt, um ein Exempel zu statuieren. Ein Arzt, der hauptsächlich ans Vögeln denkt. Ein unschuldiger Kioskbesitzer, der zum Polizeiopfer wird. Eine Gruppe Neonazis, die eine Frau wegen ihres schwarzen Freundes quälen - und dafür ihre wohlverdienten Prügel kriegen.

Die Schlägereien zwischen Fans und Nazis und zwischen Fans und Polizisten setzt Ehlail ausführlich ins Bild. Ebenso ausführlich feiert die Kamera die Fankultur im Millerntorstadion: Dort treffen sich die drei Freunde immer wieder, jubeln und fluchen zusammen mit hunderten anderen St. Pauli-Fans. Immer wieder wird die quasi religiöse Gemeinschaft der Fans betont: Das Leben als Teil eines Ganzen, in dem Fußball, Politik und Gewalt ineinanderfließen - so verkauft es der Film.

Erstaunlich ist, dass Ehlail und die Produzentin Stephanie Blum für diesen Film Promis gewinnen konnten, die aus Sympathie für das Spontane des Projektes auf große Gagen verzichtet haben. Mario Adorf spielt den Kioskbesitzer, Moritz Bleibtreu den Makler, Dominique Horwitz den Polizeichef. Denis Moschitto, Fabian Busch und Timo Jacobs spielen die drei Freunde.

Das Profiensemble rettet, was zu retten ist. Der Spaß an der Arbeit scheint den Schauspielern trotz der Plattheiten des Films nicht vergangen zu sein. Auch das ist erstaunlich.

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