RAUCHZEICHEN
: Der Geistertunnel

In einen brennenden Tunnel fahre ich nicht

Der schönste Sommerausflug geht irgendwann zu Ende. Ich hatte einen freien Tag und war an einen See im Südosten der Stadt gefahren. Am späten Nachmittag hatte ich einen Arzttermin in Wilmersdorf; rechtzeitig machte ich mich mit dem Auto auf den Weg, zumal dunkle Wolken aufzogen.

Kurz vor dem Autobahnkreuz Schönefeld bricht das Unwetter los. Es gießt in Strömen, dazu Blitz und Donner. Wenigstens kein Hagel, denke ich und fahre weiter. Auf der Autobahn fließen die Fluten schnell ab, aber wird es in der Stadt Überschwemmungen an Straßensenken geben? Komme ich zu spät?

Am Flughafen Schönefeld – der Regen hat etwas nachgelassen – tauchen verwirrende Zeichen auf den elektronischen Verkehrsschildern auf. „Stopp“ und „Herausfahren“ steht da, aber viele rollen einfach weiter. Ich auch. Herdentrieb. Auch die folgenden Schilder blinken „Stopp“. Ich bin verunsichert, dann am Tunnel an der Rudower Höhe die Gewissheit: „Stopp! Rauch!“ Auf dem Seitenstreifen bleibe ich stehen. Nee, in einen brennenden Tunnel fahre ich nicht!

Nicht so die anderen. Ab und zu kommt ein Fahrzeug, bremst kurz – und rauscht in den Tunnel. Ich steige aus: Da müssten doch Explosionen zu hören, müsste Rauch zu riechen sein! Nichts. Soll ich weiter? Hm. Endlich kommt ein Streifenwagen mit Blaulicht. Er hält. „Was ist mit Ihnen?“, brüllt ein Polizist durchs offene Fenster. „Ich traue mich nicht weiter“, erwidere ich. „Kein Problem“, ruft der Beamte. „Der Blitz hat eingeschlagen und die Elektronik gestört, sonst ist alles in Ordnung.“

Die Polizisten rasen los. Vorsichtig fahre ich durch den Geistertunnel. Am anderen Ende versuchen schon die Polizisten, den Verkehr auf der Gegenfahrbahn in Gang zu bringen. Vor dem Tunneleingang hat sich ein langer Stau gebildet. Bei mir ging’s schneller – aber zum Arzt komme ich zu spät. RICHARD ROTHER