Die jungen Verbraucherinnen

NEU IM KINO Der polnischen Regisseurin Katarzyna Roslaniec ist mit ihrem Debütfilm „Shopping Girls“ ein Kunststück an Ambivalenz gelungen

Am Anfang ist man ganz begeistert von den quietschbunten Sachen, in denen die Shopping Girls in dem gleichnamigen Debütfilm der polnischen Regisseurin Katarzyna Roslaniec durch eine austauschbare Shopping Mall laufen bzw. kaugummikauend neben Rolltreppen auf Männer warten, die ihnen schicke Anziehsachen oder neumodische Handys für ein bisschen Sex im Auto kaufen sollen. Alles sieht zunächst lustig, albern und billig aus. In ihrer Schulklasse sind Milena, Kaja und Julia jedoch Stars und werden um ihr „High Life“ beneidet, das aus Disco, Shopping, Zigarettenrauchen, Trinken und „echten“ Männern besteht. Die jungen Verbraucherinnen wollen alles, und zwar sofort, wie schon der Sänger Jim Morrison vor vierzig Jahren.

Wie die meisten ihrer Mitschüler leben die 15-jährigen Heldinnen in bedrückenden, beengten Elternhäusern, sind in der Schule aufsässig und lassen nach dem Unterricht die Sau raus. Sie sind laut, ihre Sprache ist ordinär – „my mother found a new fuckboy“ und manchmal hauen sie sich auch.

Alicja dagegen ist ein Niemand. Ihr Handy ist veraltet, die Kleidung falsch, sie ist schüchtern, hat keine Freunde und über die hübschen alternativen Armbänder, die sie selber macht, lachen sich die anderen eher tot.

Gern würde sie auch zu den Shopping Girls gehören und sich mit ihnen befreunden. Schnell wird sie auch, sozusagen als High-Life-Novizin, auf- und in die Discothek „Paradiso“ mitgenommen, ziert sich zunächst jedoch beim Versuch, sich zu prostituieren. Außerdem ist da ja noch Mihal, ein schmaler, netter, romantischer Junge aus ihrer Klasse, mit dem sie sich manchmal trifft. Gegen Ende kommt es zur Katastrophe, wie in vielen konsumkritischen polnischen Filmen.

„Shopping Girls“ ist ambivalent: einerseits dem lustigen Alter der Heldinnen entsprechend gut besetzt – eins der Mädchen aus der Clique ist schön, eins dick, eins dünn, die Jungs in der Klasse sind halt eher noch Jungs, während die Mädchen schon Richtung Frau tendieren, die Eltern wirken ein bisschen ausgebrannt und erledigt, die Wohnungen sind sozialrealistisch gezeichnet, vor allem ist der Film sehr unterhaltsam.

Andererseits, sozusagen verglichen mit dem echten Leben, wirkt vieles ein bisschen pädagogisch, geht ein wenig zu schnell; zum Beispiel wie das Mauerblümchen in die Clique aufgenommen wird, ihre Vorlieben ändert, wie sie den Mut findet, sich zu prostituieren, und wie das alles dann recht tragisch endet.

Aber besser als „Tatort“ ist „Shopping Girls“ auf jeden Fall und war auf dem polnischen Filmfest vor einem Jahr der erfolgreichste Film; auf dem Filmfestival des osteuropäischen Films in Cottbus wurde die Hauptdarstellerin als herausragende Darstellerin ausgezeichnet. Dass er gerade jetzt startet, passt natürlich recht gut zu den Aufständen der jungen Verbraucher in England. DETLEF KUHLBRODT

■ „Shopping Girls“. Regie: Katarzyna Roslaniec. Mit Artur Barci, Anna Karczmarczyk u. a. Polen 2009, 86 Min., kino.meinestadt.de/berlin