Der Traum, in die Sendung zu kommen

DEBÜTFILM In „Chi l’ha visto“ schickt Claudia Rorarius ihren Helden auf die Suche nach seinem Vater

Er weiß nur, wie der Vater heißt und dass er mal ein berühmter Handballspieler war

„Chi l’ha visto“ ist ein halb dokumentarisch mit Handkamera gedrehtes Roadmovie, das in einem Berliner Taxi beginnt und auf einem Friedhof in Rom endet. Am Anfang hat der Held, Gianni Meurer, ein Halbitaliener Mitte zwanzig, Geburtstag. Er feiert in einer Bar, die dem Feierimage Berlins entspricht, tanzt, raucht, trinkt, kokst und hat zwischendurch Gelegenheitssex. So richtig glücklich wirkt er aber nicht. Manchmal schaut er ein bisschen verloren aus, um im nächsten Moment auf einer kleinen Bühne zu stehen und vor den Geburtstagsgästen zusammen mit einem halbnackten, muskulösen Mann den Italopop-Klassiker „Felicita“ zu singen.

Im Grunde ein Roadmovie

Am nächsten Tag sitzt er noch ein wenig dünnhäutig in seiner Küche, schaut sich Fotos von früher an, weint und lacht dabei ein bisschen. Im Badezimmer guckt er sich ins Gesicht: Dies bin ich also.

Das Spielfilmdebüt von Claudia Rorarius ist ohne Erzählerstimme mit Handkamera in der Art eines Dokumentarfilms und ohne jede Rückblende gedreht. Im Grunde genommen ist es ein Roadmovie. Gianni Meurer, Halbitaliener mit deutscher Mutter, macht sich auf die Suche nach seinem Vater, der die Familie vor fünfundzwanzig Jahren verließ. In Brandenburg kauft er sich einen gebrauchten VW-Golf und fährt Richtung Rom, wo er den Vater vermutet. Er weiß nur, wie der Vater heißt und dass er mal ein berühmter Handballspieler war. Er hat nur ein Foto dabei, auf dem der Vater in etwa so alt ist wie jetzt sein Sohn.

Auf der Suche nach seiner, wie sagt man: Identität, versucht er eine solche neu zu inszenieren, hört im Autoradio einen Italienischkurs, um seine Sprachkenntnisse aufzufrischen, kauft sich identitätsunterstützende Fußballshirts, lässt sich von einem Trompete spielenden Barbier rasieren, macht Halt bei einer Gokart-Rennbahn, weil der Vater früher mal gerne Gokart fuhr, steht am Rande einer Friedensdemonstration, zeigt das Foto allen möglichen Leuten, in der Hoffnung, jemand würde den Vater wiedererkennen, lernt den jungen Deutschen Paul kennen, der ihn eine Weile in seinem Film begleitet.

Eine Frau erzählt ihm von der italienischen Fernsehsendung „Chi l’ha visto“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Verlorengegangene wieder zueinander zu bringen. Meurer ruft dort an, träumt davon, in diese Sendung eingeladen zu werden und seinen Vater wiederzufinden.

Manchmal gibt es schöne Szenen, wenn Gianni Meurer vor dem Spiegel im Hotelzimmer in verschiedenen Rollen die Sendung durchspielt, in der er seinen Vater zu treffen hofft, wenn er mit seinem Reisekumpel Paul einem Gewitter entgegenfährt, oder am Strand Liegestützen macht, doch meist plätschert der Film in schönen Bildern so vor sich hin.

Wie viel bei Meurers Suche Fiktion und Einbildung ist, bleibt unklar. Gianni Meurer wird von dem gleichnamigen bekannten Musicaldarsteller gespielt, dessen Vater wie der Vater im Film verschwand, als er ein kleiner Junge war. Die Regisseurin hat den Vertrieb ihres Films, der erfolgreich auf vielen Festivals lief, allein über Crowdfunding finanziert. DETLEF KUHLBRODT

■ „Chi l’ha visto“. Regie: Claudia Rorarius. Mit Gianni Meurer. Deutschland 2009, 92 Minuten; www.berlin.de/kino