Ein Kosmos im Groschenheft

DOKU „Perry Rhodan – Unser Mann im All“ von André Schäfer ist eine Dokumentation über die erfolgreichste deutsche Heftserie, in der ein imaginärer Kosmos geschaffen wurde

Der Film erzählt von dem kulturellen Phänomen „Perry Rhodan“ und thematisch ist André Schäfer dabei auf eine Goldgrube gestoßen

VON WILFRIED HIPPEN

Eines der immer wieder gerne verwursteten Konzepte der Science Fiction ist das Paralleluniversum. Nun ist es eine schöne Pointe, dass durch die Science-Fiction selber Paralleluniversen geschaffen wurden: Welten mit eigenen Lebensformen, Technologien, Terminologien und historischen Abläufen. Jeder, der sich einmal mit einem Trekkie, also einem der Fans der Fernsehserien „Raumschiff Enterprise“, unterhalten hat, kennt das Prinzip. Etwas mehr im Verborgenen existiert vorwiegend in Deutschland ein ähnlich komplexer imaginärer Kosmos. Seit 1961 kommt wöchentlich ein Heft mit den Abenteuern um den unbesiegbaren und natürlich unsterblichen Perry Rhodan an die Kioske, und die Kosmologie dieser Fantasiewelt ist inzwischen so (welt)allumfassend, dass Wikipedia einen Ableger mit dem Namen Perrypedia eingerichtet hat.

Von diesem kulturellen Phänomen handelt dieser Dokumentarfilm von André Schäfer und thematisch ist er dabei auf eine Goldgrube gestoßen. Es ist ein erstaunliches Phänomen, dass keine der so allgegenwärtig scheinenden Lore-Romanserien die höchsten Verkaufszahlen in der Groschenromanbranche hat, sondern dieses Weltraumepos, das in der aktuellen Serie inzwischen im Jahr 5050 n. Chr. spielt. Dieser Erfolg hat sicher damit zu tun, dass Männer oft und gerne Buben bleiben und so für viele die Phase, in der man sich als leicht beeinflussbarer Vierzehnjähriger für Abenteuer in fremden Galaxien und Zeiten interessiert, nie zu Ende geht.

So ist es interessant, dass die meisten Gesprächspartner, die im Film über ihr Verhältnis und ihre Erfahrungen mit Parry Rhodan berichten, Männer zwischen 40 und 60 sind. Ein etwa Zehnjähriger, der anhand von Actionspielpuppen sehr anschaulich die Grundgeschichte um Perry Rhodan erzählt, zählt nicht, weil er der Sohn eines der Autoren ist, und ein kleines Mädchen, das stolz verkündet, es lese gerne „Perry Rhodan und Pferdebücher“, wird eher als Kuriosität ausgestellt. Die Leserschaft ist mit der Serie älter geworden und wenn es eine mit den Trekkies vergleichbare Jugendkultur um Perry Rhodan geben würde, hätte Schäfer sie sicher aufgespürt und vorgestellt. Stattdessen erklärt ein graubärtiger Literaturwissenschaftler, dass die Heftserie alles andere als trivial ist und der Literaturkritiker Denis Scheck lobt Perry Rhodan ein wenig ironisch und durchaus kenntnisreich.

Gleich ein halbes Dutzend Autoren erzählt viel Wissenswertes. So etwa, dass der der Vorname des Titelhelden von Perry Mason und das Rhodan von einem japanischen Kinomonster abgekupfert wurde. Der Gründungsmythos der Heftserie wird mit Hilfe der Witwe von Karl Heinz Scheer und dem Sohn von Walter Ernsting erzählt. Das Autorenduo entwickelte in den ersten Jahren das Konzept der Serie und wenn diese in den ersten paar Handlungsjahrtausenden noch ein wenig martialisch daherkam, lag dies an der Landser-Mentalität von „Kanonenboot Scheer“. Diese militaristischen Anfänge sorgen dann auch für den komischen Höhepunkt des Films: einen aus heutiger Sicht sehr putzigen Beitrag in dem Fernsehmagazin Monitor von 1969, in dem sich der Moderator Hinrich Casdorff und der Zukunftsforscher (!) Robert Jungk über die faschistoide Ideologie der Heftserie ereifern.

Schäfer hat gut recherchiert und erzählt kurzweilig, nur mit seinen Bildern hat er seine Schwierigkeiten. Seine bemühte Originalität bei der Illustration der Information wirkt schnell ermüdend. So ist es nicht halb so komisch wie der Autor offensichtlich denkt, wenn ein Männchen im Weltraumanzug im Kölner Bahnhof aus einem Zug steigt, zum nächsten Kiosk watschelt und sich dort das neue Perry Rhodan Heft kauft. Auch sein Ehrgeiz, Gesprächspartner an möglichst überraschenden Drehorten zu drehen, irritiert, denn es wird nie deutlich, warum der Herausgeber unbedingt beim Bergsteigen unter schneebedeckten Wipfeln und ein Autor beim Tauchen befragt werden musste.

Schäfer bedient sich überall ein wenig. Er benutzt Filmausschnitte aus dem Perry-Rhodan-Spielfilm „SOS aus dem Weltall“ von 1967 (dessen sowohl künstlerisches wie auch finanzielles Scheitern er aber seltsamerweise mit keinem Wort erwähnt), drehte futuristisch anmutende Stimmungsbilder und hat sogar extra für den Film eine Ode an Perry Rhodan komponieren und einspielen lassen. Nicht nur dabei wirkt der Film so peinlich und distanzlos, dass sich der Verdacht regt, ein Fan hätte ihn gemacht.