Das Schloss (2)
: Der Knauf kommt

Auf dem Dorf hatte ich lange genug gewohnt

Eine Zeit lang schien es ruhig zu sein, dann wiederholte sich das Ereignis (für die, die den ersten Teil verpasst haben: menschliche Kackhaufen im Treppenhaus) in den oberen Stockwerken. Was bei den dort wohnenden Müttern und Vätern mit ihren Töchtern und Söhnen („Hier wohnen doch Kinder!“) natürlich nicht so auf Gegenliebe stieß. Zwei-, dreimal wurde die Polizei gerufen, einmal wurde die Haustür verschlossen, was zur Folge hatte, dass die Hälfte der Hausbewohnenden weder rein- noch rauskam; von Besuchenden ganz zu schweigen. Mein Mitbewohner musste sich eine halbe Nacht um die Ohren schlagen, was in seinem Fall ein halber Morgen war, nachts arbeitet er schließlich, und da er keinen Hausschlüssel besitzt und ich das Handy ausmache, wenn ich schlafen gehe, war es für ihn ein langer Morgen.

Es gab auch einen plakatgroßen Pranger, der vor dem Obdachlosen warnte. Ich habe ihn nie gesehen. Inzwischen kenne ich fast alle Nachbarn, zumindest die im Vorderhaus. Was ich irgendwie angenehm, aber in der Hauptsache immer noch seltsam finde. War man nicht eben wegen der Anonymität in die große Stadt gezogen? Auf dem Dorf, wo jeder jeden kennt und alle alles wissen, hatte ich lange genug gewohnt. Und wenn es tausendmal Köln geheißen hat.

Eines wunderschönen Morgens, es war der, den mein Mitbewohner vor einem Bäcker verbrachte und die taz das erste Mal nicht kam, gab es einen Schlosser, einen gut gebauten, gewohnt resoluten Urberliner, der sich wie selbstverständlich am Schloss zu schaffen machte. Wie es denn jetzt laufe, wollte ich wissen, ob es neue Schlüssel gäbe? Nein, jetzt gebe es einen Knauf und ein Generalschloss, auf das jeder Schlüssel passen würde. Ich schaute ihn fragend an, er wiederholte den Satz. Verstanden hatte ich ihn nicht.

RENÉ HAMANN

Fortsetzung folgt