Die angehaltene Welt

PHLEGMATIKER In „The Future“ erzählt Miranda July von einem Paar, das sich auch durch eine sprechende Katze und Gespräche mit dem Mond nicht aufwecken lässt

Die Diskrepanz zwischen Inhalt und Stil ist so frappierend, dass sie wie ein Rüffel für die Protagonisten wirkt

VON WILFRIED HIPPEN

Die Zukunft weckt kaum ihr Interesse. Sophie und Jason liegen am liebsten zusammen auf ihrem Sofa und surfen auf ihren Laptops. Sie vermeiden alles, was das Leben schwierig machen könnte. Er berät am Telefon Kunden, die Probleme mit ihren Computern haben und sie ist Tanzlehrerin in einem Kindergarten. Ihr Phlegma vereint sie: Leidenschaft, Sex oder gar Kinder sind viel zu anstrengend für die beiden blassen Gestalten, deren unbändige dunklen Haare das einzige Rebellische an ihnen zu sein scheint. Ja, die Zukunft – nein, keine Familie – aber ein Haustier wäre nicht schlecht. So suchen sie sich in einem Tierasyl ein armes Kätzchen aus, das krank ist und wohl nicht mehr lange zu leben hat. 30 Tage muss es noch in Quarantäne in seinem Käfig bleiben, und diese Frist reißt die beiden aus ihrem bequemen Trott.

In diesem Monat sind sie wie in der Schwebe, und beide probieren neue Leben aus. Er tritt einer Umweltschutzorganisation bei und geht in den Vororten von Los Angeles von Tür zu Tür, um den Leuten etwas über die Erderwärmung zu erzählen und Baumpatenschaften zu verkaufen. Sie beginnt eine Affäre mit einem älteren Mann, aber beide tun auch dies eher halbherzig – nur kein Stress.

Das klingt alles nicht sehr aufregend, doch die Regisseurin Miranda July, die selber die Sophie spielt, hat alles andere als einen phlegmatischen und halbherzigen Film gemacht. Die Diskrepanz zwischen Inhalt und Stil ist so frappierend, dass sie wie ein Rüffel für die Protagonisten wirkt: Schaut, so fantastisch ist die Welt und ihre verpennt alles! So wird die Geschichte von der kranken Katze Paw Paw erzählt. Man sieht von ihr nur die beiden Pfoten, von denn eine auch noch einen dicken Verband trägt, und ihre wehmütige Litanei wird von der Regisseurin mit (nicht sehr) verstellter Stimme gesprochen. Aber durch diesen Trick bekommt der ganze Film eine anderer Perspektive, die später im Film sogar ins Kosmische abdriftet. In ihren 30 Probetagen haben Sophie und Jason fantastische Fähigkeiten, die sie zu Superhelden machen könnten, aber stattdessen kaum zu interessieren scheinen. Er kann die Zeit anhalten und Gespräche mit dem Mond führen, sie erlebt in wenigen Minuten eine Variation ihres gesamten weiteren Lebens, in dem sie mit Mann, Job und Kindern letztendlich auch nicht besser dran ist.

All das ist so spielerisch und witzig inszeniert, dass einem (im Gegensatz zu den Protagonisten) nie langweilig wird. Nicht umsonst ist eines der vielen Leitmotive des Films eine Zeichnung von den sich ins Unendliche windenden Treppenhäusern von M.C. Escher. Auch „The Future“ führt überall zugleich in die Weite und ins Nichts.

Nach den 30 Tagen ist die Katze tot und Sophie kommt zu Jason zurück und die Wohnung ist ein Müllhaufen. Um wieder gemütlich auf dem Sofa rumhängen zu können, müssten sie aufräumen, aber ob sie das wohl schaffen?