Ortstermin: Botschaft an alle

Der Hamburger Künstler Boran Burchhardt beklebt Verkehrsschilder für sein Projekt "3D§87 Deutschlandbilder" - und die Polizei bleibt fern.

Nicht im Sinn der Innenbehörde: Boran Burchhardt bei der Arbeit. Bild: Klaus Irler

HAMBURG taz | So ein Verkehrsschild gehört zur öffentlichen Ordnung wie die Luft zum Atmen und deshalb ist es erstaunlich, wie schnell so ein Verkehrsschild abgeschraubt ist. Kurz den Akkuschrauber dran gehalten, Schrauben rausgezogen, das wars. Das Wieder-Anschrauben geht genauso schnell. Und auch was Boran Burchhardt dazwischen mit den Schildern macht, ist nur eine Frage von Minuten: Rückseite reinigen, Aufkleber drauf, fertig.

Der 37-jährige Hamburger ist Künstler und die Aktion, die Rückseiten von 3.000 Verkehrsschildern in Hamburg zu bekleben, ist Teil eines Kunstprojekts, das er in gleicher Form bereits in Heidelberg und Essen verwirklicht hat. Egal wo, es ist immer die gleiche Art von Aufkleber, die Burchhardt anbringt. Links steht darauf in einer jeweils unterschiedlichen Sprache die Frage "Krank und ohne Papiere?". Rechts steht die Internetadresse der Medibüros - das sind Einrichtungen, die papierlosen Flüchtlingen und Migranten kostenlose medizinische Versorgung vermitteln.

Zum Auftakt der Klebe-Aktion in Hamburg steht am Montagvormittag eine Gruppe von rund 30 Personen samt TV- und Radioteams neben der Binnenalster und wartet auf die Polizei. Die Innenbehörde hat Burchhardt keine Genehmigung für die Aktion erteilt, woraufhin er angekündigt hat, die Aktion trotzdem zu machen. Einen gewissen Rückenwind hatte er dafür von der Kulturbehörde, die das Projekt nach einem Beschluss der Kunstkommission mit 20.000 Euro fördert.

Die Innenbehörde habe nach der verweigerten Genehmigung auf weitere Nachfragen und Ankündigungen seinerseits nicht reagiert, sagt Burchhardt und besteigt seine Leiter zum Abschrauben des nächsten Verkehrsschilds. Zwei Streifenpolizisten kommen auf der gegenüberliegenden Straßenseite vorbei, schauen, wissen nicht recht, sehen die Fernsehteams und gehen lieber weiter. Was schlau war: Am Montagnachmittag erfährt Burchhardt durch Journalisten, dass die Aktion von der Innenbehörde geduldet werde. Die Streifenpolizisten wussten augenscheinlich nichts davon.

Das Verhalten der Behörden hat einen gewissen Unterhaltungswert, ist bei Burchhardts Arbeit aber nur ein nachrangiger Aspekt. Zentral dagegen ist ihr politisches Anliegen: Das Kunstprojekt trägt den Namen "3D§87 Deutschlandbilder". Dieser Paragraph 87 des Aufenthaltsgesetzes verpflichtet öffentlich-rechtliche Einrichtungen, die Ausländerbehörde zu unterrichten, wenn sich ein Mensch ohne Aufenthaltstitel bei ihnen blicken lässt. Wer also als Papierloser beispielsweise bei einer Einrichtung wie einem städtischen Krankenhaus Hilfe sucht, wird der Ausländerbehörde gemeldet - und mit großer Wahrscheinlichkeit abgeschoben.

Abhilfe verschaffen aus Sicht der Papierlosen die Medibüros. Die gibt es in größeren Städten, die Mediziner arbeiten dort ehrenamtlich, die Medibüros finanzieren sich durch Spenden.

Burchhardt geht es darum, das Gesetz und seine Problematik in der Stadt sichtbar zu machen. "Die Arbeit wendet sich an alle, die sich in der Stadt bewegen." Trotzdem: Worin liegt neben der Politik der künstlerische Aspekt der Arbeit? Die Arbeit sei Performance und städtische Intervention, werde aber auch als Dokumentation in einer Kunstinstitution gezeigt, sagt Burchhardt. Und sein Galerist Mathias Güntner sagt: "Irgendwann kann man etwas davon verkaufen. Aber das ist erstmal nicht das Anliegen."

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