Und wie die Alten sangen

LIEDERMACHER In dem Dokumentarfilm „Wader Wecker Vaterland“ begleitet Rudi Gaul mit der Kamera ein Konzertprojekt von Hannes Wader und Konstantin Wecker

Rudi Gaul spürte, dass das widersprüchliche Verhältnis zwischen den beiden die wirklich gute Geschichte ist

VON WILFRIED HIPPEN

Sie singen noch! Inzwischen sind sie Mitte 60 und die Zeiten, in denen sie in einigen ihrer Lieder genau das ausdrückten, was viele fühlten, sind längst vorbei. Doch zu ihren Konzerten kommen noch die treuen Fans, die mit ihnen alt geworden sind und der Anachronismus ihrer Kunst (wer nennt sich heute noch Liedermacher?) gibt ihr einen speziellen Reiz.

Dies hat auch der 1982 geborene Rudi Gaul gespürt, der (obwohl Münchner) mit den Platten von Hannes Wader aufwuchs, die sein Vater „sogar an Weihnachen aufgelegt hat“. Gerade dass die beiden ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, machte sie für den Filmemacher interessant. Zudem hatten sie interessante Karrieren mit dramatischen Brüchen und en passant kann man mit ihnen als Protagonisten auch eine kleine bundesrepublikanische Kulturgeschichte miterzählen.

Vor allem kann man sich ihnen aber gut über ihre Gegensätze nähern. Hannes Wader und Konstantin Wecker sind wie das Yin und Yang des deutschen Liedermachertums. Der eine ein Arbeiterkind, der andere Sohn eines Opernsängers, der eine ein Grübler, der andere ein Genussmensch, der eine muss sich bei jedem Auftritt neu überwinden, der andere fühlt sich sichtlich sauwohl auf der Bühne. Selbst ihre Krisen könnten kaum gegensätzlicher sein: Während der eine 1977 zur DKP geht, wandert der andere 1995 wegen Drogenkonsums kurz im Knast. In ihren besten Zeiten werden sie wohl kaum zusammen auf der Bühne gestanden haben, damals verband sie eine herzliche gegenseitige Ablehnung.

Und Rudi Gaul hat gespürt, dass dieses widersprüchliche Verhältnis zwischen den beiden die wirklich gute Geschichte ist. So zeigt er sie oft gemeinsam, meist beim Reisen zwischen den Auftritten, und dabei bekommt man auch ein Gefühl dafür, wie viel darstellende Künstler herumgefahren müssen. Während die beiden bei den Proben noch fremdeln und ihre beiden Teams von Bühnentechnikern kleine Revierkämpfe veranstalteten, wirken sie während der sommerlichen Konzertreise schließlich wie ein vertrautes Paar von Freunden, das über die gleichen Witz lacht und behaglich miteinander schweigen kann. Szenen wie jene, bei der Wecker in einer Konzertpause ausgelassen mit den anderen Musikern herumalbert, während Wader im Vordergrund nervös auf und ab geht, bringen die Persönlichkeiten der beiden mit sehr filmischen Mitteln auf den Punkt.

So steht hier gar nicht so sehr ihre Musik im Mittelpunkt, auch wenn Gaul natürlich die Chance nicht auslässt, ihre Karrieren an den gesungenen Songs wie „Trotz Alledem“ und „Gestern habns an Willy daschlogn“ entlang zu erzählen. So schneidet er gerne zwischen Originalaufnahmen aus dem Archiv und den selbst gedrehten Konzertaufnahmen hin und her, und bei einigen Liedern sind diese Wechsel auch auf der Tonebene fast nahtlos. Dies funktioniert übrigens bei Wader besser als bei Wecker, denn während der eine möglichst die einmal gefundene perfekte Form anstrebt, improvisiert der andere übermütig mit seinem Material, sodass Gaul bei den Liedern von Konstantin Wecker meist auf einen Strophenwechsel warten muss, damit es halbwegs passt.

Bei den Konzertaufnahmen freut Gaul sich mehr über Patzer als über perfekte Auftritte, und auch von dem unvermeidlichen Hausbesuch nimmt er ausgerechnet jene Szene in den Film, bei der Hannes Wader bei dem Versuch scheitert, in der Küche ein Omelett zuzubereiten. Dass die beiden alten Hasen diese Schwächen zugelassen haben, zeigt, wie viel Vertrauen sie während der Dreharbeiten zum Filmemacher gefasst haben. Diese Nähe ist das Schönste an „Wader Wecker Vaterland“ und durch sie ist er auch für ein Publikum sehenswert, das vorher nie ein Lied von den beiden gehört hat.