KAMPF UMS FRESSEN
: Bio-Konkurrenz

Enten haben wir, wenn der Fuchs sie nicht holt

Fressen und gefressen werden – das ist der Normalzustand in der Wildnis, den der aufgeklärte Stadtbürger gern romantisiert. Dass der Mensch aber durchaus in direkter Nahrungskonkurrenz mit wild lebenden Tieren steht, dürfte den Urbanisten kaum bewusst sein. Auch mir kam der Konkurrenzgedanke nicht in den Sinn, als ich mich auf die Suche nach unserem Weihnachtsbraten machte.

Eine Ente oder Gans sollte es sein, und zwar vom Bauernhof in der Nähe. Schließlich leben wir am Stadtrand, und dort – zwischen zwei Speckgürteldörfern – gibt es tatsächlich noch einen Bauernhof, hübsch zwischen Wald und einem hügeligen Feld gelegen. Romantisch ist es dort nicht: Dafür ist die nahe Autobahn zu laut, es stinkt nach Mist, und der Hofhund knurrt immer böse. So auch, als ich Anfang Dezember nach Geflügel für den Weihnachtsbraten frage. „Enten haben wir“, sagt die alte Bäuerin, „wenn der Fuchs sie nicht holt.“ Der ist schon einmal da gewesen; schlau, wie er ist, hatte er sich unter der Tür in den Stall durchgegraben und ein Dutzend Tiere gerissen.

Zwar sei die Fuchsjagd verboten, berichtet die Bäuerin, aber ihr Mann habe bereits versucht, das Tier mit einem toten Huhn in die Falle zu locken. „Hoffentlich klappt’s beim nächsten Mal“, sage ich. 8,50 pro Kilo soll die Ente kosten. Das ist nicht viel; die beiden Alten betreiben den Hof mit ein paar Schweinen und Kühen mehr schlecht als recht, aber sie sind zu alt, um etwas anderes anzufangen – ihre Kinder sind zum Studieren in Sachsen.

Kurz vor Weihnachten kriegen wir unsere Drei-Kilo-Ente – Glück gehabt. Ganz anders eine Bekannte aus der Innenstadt: Sie hat ihre große Bio-Gans, die 90 Euro kostete, in einer Plastetüte kühl auf dem Balkon gelagert. Am Weihnachtsmorgen waren dann Tier und Tüte zerfetzt und weitgehend vertilgt, als Festtagsschmaus für die Krähen der Stadt. RICHARD ROTHER