Geschichten vom Baumelbaum

NORDISCH-1 In „Helden des Polarkreises“ schickt Dome Karukoski drei tapfere Finnen auf der Suche nach dem digialen Vlies auf eine Odyssee durch das nächtliche Lappland

Der Film ist so unterhaltsam und temporeich erzählt, dass man die Schwermut, die unter allem liegt, übersehen kann

VON WILFRIED HIPPEN

Wer jetzt noch die deutschen Fernsehprogramme mit einem analogen Satellitenadapter empfängt, wird gut nachempfinden können, wie den Helden dieses Films zumute ist. Seit Monaten laufen auf allen Kanälen extrem aufdringliche Spruchbänder durchs Bild, in denen darauf hingewiesen wird, dass ab April der analoge Sendebetrieb eingestellt und man sich dringendst einen digitalen Receiver anschaffen soll. Das Gleiche muss vor Kurzem auch den Finnen mit ihrem terrestrischem Empfang gedroht haben, denn genau solch ein digitales Empfangsgerät ist der heilige Gral, nach dem drei heldenhafte Lappen durch die ewige Dunkelheit des Polarkreises suchen.

Dabei hätte der phlegmatische Janne bequem zuhause auf dem Sofa blieben können, wenn er nicht das Geld, das seine Freundin Inari ihm für den Apparat gegeben hatte, mit seinen beiden Kumpels Ralle und Kalle versoffen hätte. Nun ist sie sauer und stellt ihm ein Ultimatum: Bis zum nächsten Morgen ist die Unterhaltungselektronik auf dem neusten Stand oder er kann sich eine neue Freundin suchen. Die gute Nachricht dabei ist, dass die Nächte in Lappland extrem lang sind – die schlechte, dass die Elektronikläden auf dem Lande dünn gesät sind und meist pünktlich schließen.

So begibt sich Janne zusammen mit seinen wackeren Freunden auf eine Reise, die bald so abenteuerlich und irrwitzig wird, dass man ohne zu übertreiben von einer Odyssee sprechen kann. Dabei sind die Sirenen Killerlesben und die Zyklopen reiche Russen, die mit ihrem Auto ein Rentier totfahren und Janne mit seinen Freuden dazu anheuern, es für sie zu schlachten und zu braten. Selbst die extreme und natürlich lebensgefährliche Kälte ist für ein paar schöne Lacher gut. Einem mörderischen Schneesturm wird da mit der Hilfe von rosafarbenen Autositzbezügen getrotzt und dabei scheint Bier ein besseres Frostschutzmittel zu sein als warme Kleidung. Als Running Gag wird das Auto der drei immer übler ramponiert und nicht nur dabei zeigt Dome Karukoski das präzise Timing und den erzählerischen Übermut, die gute Komödien auszeichnen.

Der Film ist so unterhaltsam und temporeich erzählt, dass man die Schwermut, die unter allem liegt, schnell übersehen kann. Die ständige Dunkelheit im Winter schlägt den Finnen aufs Gemüt, und so ist die Selbstmordrate dort sehr hoch. Dafür hat der Regisseur mit einem einsamen Baumgerippe in der Eislandschaft ein gutes Sinnbild gefunden. Hier hängen sich seit Generationen jene auf, die im unwirtlichen Lappland die Hoffnung verloren haben. Der Film beginnt mit ein paar ihrer Geschichten vom Baumelbaum, und bei ihnen wird sein Humor ausgesprochen makaber. Karukoski sagt dazu: „Ich habe mich immer gefragt, wie man in so einer Gegend leben kann. Aber wenn man die Ansässigen kennenlernt, beginnt man zu verstehen. Es ist wegen dem finnischen ‚Perkele‘. Machmal wird es als Schimpfwort benutzt, aber eigentlich bedeutet es etwas zwischen Ausdauer, Willenskraft und die Verdammung der Götter.“ In diesem Sinne sind die hedonistischen Müßiggänger Janne, Ralle und Kanne tatsächlich Helden, und Karukoski zieht ihnen zwar gleich mehrmals im Film die Hosen herunter (bei diesem Film kann man wirklich eine Gänsehaut bekommen), aber er holt sie auch aus dem lächerlichsten Schlamassel wohlbehalten und den Umständen entsprechend erstaunlich würdevoll wieder heraus.