PARALLELUNIVERSEN
: Grill und Krise

Fast jedermann ein Superstar, so wirkt das Treiben optisch

Im Amphitheater macht eine zierliche Frau im kreischroten Ballonkleid einfach vom Publikum Gebrauch. Sie fischt einen Mann aus den Schaulustigen und bestellt ihn auf die Bühne. Und klettert dann an ihm herum bei einer akrobatischen Übung. Auch weist sie Herumstehenden Sitzplätze zu. Bockt jemand, will einer dem Kommando nicht folgen, dann wirft sie wütend ihren roten Besen in den Staub und trillert penetrant auf einer Pfeife, bis derjenige aufgibt und sich fügt. Die Zuschauer auf den vollbesetzten Rängen sind begeistert.

Auf dem Staubfeld vis-à-vis tanken Besucher Sonne, und Fleisch liegt auf Grills. Schön bunt gefleckt wirkt der Mauerpark durch die Menschenflut an diesem Sonntag. Ein Mann, chic gekleidet im Anzug, thront auf einer Mauer. Er telefoniert. Ist ein Gespräch beendet, beginnt er, wie getrieben, das folgende. Er wirkt unnahbar wie in einem Kokon. „I want somebody to love“, schallt es von der Karaoke-Allee her. „I get by with a little help from my friends“, singt einer der Flaschensammler lautstark und aggressiv mit. „I get high with a little help from my friends.“ Der Flaschensammler interpretiert das Lied der Beatles wie einen Protestsong. Die Flaschen in seinem Beutel klirren dazu.

Fast jedermann ein Superstar, so wirkt das Treiben optisch. Wohl auch wegen der Allgegenwart von Fotolinsen und weil die Besucher unermüdlich fotografieren und filmen – das Flair von Berlin. Me, myself and I in Berlin. Bald werden viele dieser Produkte auf Facebook & Co. weiter am Glanz der Stadt als the place to be arbeiten.

Auch auf der Baustelle Oderberger Straße loungen und brunchen die Menschen. Ein Stuhl wird frei. In der Zeitung, die auf dem Tisch liegt, ist von der Eurokrise die Rede. Als empfange man dringende Botschaften aus einem Paralleluniversum, während Berlin feiert, so fühlt sich das an. GUNDA SCHWANTJE