Finsterer Wald als großer Käfig

GRUSEL In „Cabin in the Woods“ stellen Regisseur Drew Goddard und Drehbuchautor Joss Wheedon die Konventionen des Horrorgenres intelligent und übermütig auf den Kopf

Der dramaturgische Höhepunkt ist jener Moment, wenn die Spieler merken, dass sie nur Spielfiguren sind

VON WILFRIED HIPPEN

Ein Grund für den großen und anhaltenden Erfolg des Genrekinos liegt im Trost des Vertrauten. Das Publikum kennt die Figuren, Grundsituationen, Konventionen, Stimmungen und Auflösungen, und in diesen Rahmen kann es beruhigt seiner Angstlust frönen. Beim Horrorfilm erhöht etwa für den Kenner das Durchschauen der Schreckensdramaturgie nur den Reiz. Am Anfang von „Cabin in the Woods“ hält ein Kleinbus voller College-Studenten auf dem Weg in eine abgelegene Waldhütte vor einer halb verfallenen Tankstelle an, wo ein verkommener alter Mann Grimassen schneidet und höhnische Warnungen ausstößt. Diese Sequenz ist schon in so vielen billigen Teen-Slasher-Movies verbraten worden, dass sie gar nicht besonders grotesk inszeniert zu werden braucht, um komisch zu wirken. Und auch sonst scheinen hier die Klischees und Plattitüden des Genres geradezu ausgestellt zu werden. Die fünf Protagonisten sind allseits reduzierte Persönlichkeiten, also lupenreine Archetypen: Da gibt es den muskelbepackten Helden, das jungfräuliche Mädchen, das sündige Mädchen, den kiffenden Joker und den Denker, der dann auch (als kleine Salinger-Referenz) Holden heißt. Und sobald sie in der Waldhütte angekommen sind, beginnen die unheimlichen Vorkommnisse. Doch was haben die beiden Wissenschaftler damit zu tun, die ganz zum Beginn des Films durch eine riesige hochtechnologische Anlage zu ihrem Kontrollpult fahren, und warum prallt ein über dem Waldgebiet fliegender Raubvogel an einem magnetisch, elektrischen Schutzschild ab, der die Region scheinbar völlig abschottet?

Da dieser Film so viele Wendungen und Ebenen hat, ist es kein Spoiler, wenn hier verraten wird, dass die so genretypische erste Bühne dieses Films tatsächlich eine gebaute Bühne ist: Die Hütte im Wald entpuppt sich als ein riesiges Labor, in dem die Protagonisten zu den Versuchsobjekten eines (im doppelten Sinne des Wortes) gewaltigen Experiments werden. Im Keller der Hütte finden die fünf Probanden bedeutungsvolle Objekte, und die Richtung der weiteren Geschichte hängt davon ab, welcher Gegenstand von einem von ihnen als erster berührt wird. So hatten sie vermeintlich die Wahl zwischen verschiedenen unheilvollen Mythen und einer von diesen wird nun mit ihnen als Opfern durchgespielt. Während die Forscher bequem an ihren Kontrollpulten alles überwachen und Wetten darüber abschließen, in welche Richtung sich ihre Opfer in dem Labyrinth bewegen, werden diese nacheinander von den losgelassenen Monstern abgeschlachtet. Auf Monitoren wird live übertragen, wie gleichzeitig überall auf der Welt ähnliche Projekte ablaufen, und in Japan werden (entsprechend der dortigen Tradition von Horrorgeschichten) Schulmädchen von bleichen Geistern verfolgt.

So wird hier also auch vom Erzählen erzählt, und der dramaturgische Höhepunkt ist nicht der Kampf des letzten Überlebenden mit dem letzten, stärksten Monster, sondern jener Moment, wenn (ganz ähnlich wie bei der „Truman-Show“ oder Fassbinders „Welt am Draht“) die Spieler merken, dass sie nur Spielfiguren sind. Doch so wie es unter dem Keller der Waldhütte noch einen tieferen Keller gibt, offenbart sich im letzten Akt eine noch dunklere, allumfassende Geschichte, in der wiederum archaische Mythen, Rituale und Tabus gespiegelt werden.

Während der Film also einerseits mit vielen schaurigen Momenten und ausfließenden Körpersäften die Erwartungen an das Genre erfüllt, macht er sich gleichzeitig darüber lustig. Das ist im Grunde nichts Neues, denn der Horrorfilm war schon immer sehr nah an der Parodie. Schon James Whale machte 1935 mit „Bride of Frankenstein“ eine sehr ironische Fortsetzung von seinem eigenen Monsterfilm mit Boris Karloff, und Wes Craven startete mit „Scream“ eine ganze Welle von postmodernen Slasherfilmen. Der Drehbuchautor Joss Whedon hat viel von Craven gelernt. Er schrieb und produzierte die smarte und sehr erfolgreiche Fernsehserie „Buffy – Die Vampirjägerin“ und spielt bei „Cabin in the Woods“ so intelligent und übermütig mit den Genre wie kaum ein anderer. So lässt er im Finale eine Figur als die ultimative Autorität der Menschheit auftreten, und hierbei ist die Besetzung so inspiriert, konsequent und komisch, dass dieser Auftritt jedem Monster die Show stiehlt.