kabinenpredigt
: Hertha ist ein fragiles Gebilde

Auf dem Rasen wahrt Hertha weiter seinen Stil. Eine Woche vor Beginn der Rückrunde berichteten am Samstag Augenzeugen vom Testspiel beim 1. FC Kaiserslautern, die Berliner hätten wieder einmal zusammenhanglos und ungenau gespielt. Immerhin gewannen sie 1:0.

Jenseits des Spielfelds aber hat sich einiges verändert. Die hoch verschuldete Hertha hat in der Winterpause gewaltig abgespeckt. Märchenhafte 25 Millionen Euro wurden dem Club gutgeschrieben. Manager Dieter Hoeneß sprach von einem „Meilenstein in der Vereinsgeschichte“. Hertha verkaufte zwar für den Geldsegen ein gutes Stück seiner Zukunft, aber das handeln die Verantwortlichen als vernachlässigbare Petitesse ab.

Anstatt bis 2014 darf „Sportfive“ den Club nun bis 2018 vermarkten und 20 Prozent der daraus erzielten Gewinne einstreichen. Die gegenwärtigen Vorteile des Deals sind unverkennbar. Mit 15 Millionen Euro wird Hertha nicht nur die Schulden-, sondern auch die Zinsbelastung abbauen. Und zur aktuellen Verstärkung des Teams verbleiben immer noch 10 Millionen Euro.

So eröffnen sich dem Verein ganz neue Perspektiven. Nachdem man zuvor schon den Brasilianer Raffael, den Wunschspieler des Trainers Lucien Favre, für knapp 5 Millionen verpflichtet hatte, legte man nun auch noch 3 Millionen für den 20-jährigen Serben Gojko Kacar auf den Tisch.

Mit den Transfers würden sich 85 Prozent des Erfolgs entscheiden, hat Favre einmal erklärt. Der zwölfte Platz nach der Hinrunde sprach in dieser Hinsicht für sich. Neuzugang Lima enttäuschte. Die Schweizer Zugänge Lustenberger und von Bergen schienen allein schon namentlich dafür zu bürgen, dass Hertha sich auf dem Weg zu einem provinziellen Alpenverein befindet. Lediglich der Neuberliner Lucio überzeugte, verletzte sich aber schon nach wenigen Spielen schwer.

Angesichts der steilen Zielvorgabe von Hoeneß, in drei Jahren um einen Champions-League-Platz mitspielen zu wollen, ist Hertha auch zu größeren Investitionen gezwungen. Der Umbau des Teams ist in vollem Gange. Dabei tun sich allerdings ungewollte Lücken auf. Der brasilianische Nationalspieler Gilberto wird aller Voraussicht nach in diesen Tagen zu Tottenham Hotspur wechseln. So bleibt Hertha vorerst ein fragiles Gebilde. JOHANNES KOPP