Ein „Howoge-Stadion“ für Lichtenberg

Was Hertha noch nicht geschafft hat, macht ein kleiner Amateurclub aus Lichtenberg vor. Gemeinsam mit der Wohnungsbaugesellschaft wird das Stadion umgebaut. Zu DDR-Zeiten sollte es der Stasi-Zentrale weichen

Es tut sich Aufregendes im Fußball-Amateurlager. Worum es sich handelt, will Annelie Thiele nicht verraten. „Nur so viel: Die Gespräche laufen.“ So sagt es die Vereinssprecherin von Lichtenberg 47. Der frühere DDR-Oberligist hat in jüngster Vergangenheit mit spritzigen Initiativen von sich reden gemacht. So konnte der über 1.400 Mitglieder starke Club von der Normannenstraße ein Softwareunternehmen als Sponsor mittelfristig an sich binden.

Leider hält die erste Mannschaft aus der sechstklassigen Berlin-Liga nicht Schritt mit der forschen Gangart der Vereinsführung und scheiterte im Sommer in der Aufstiegsrunde zur Oberliga an der Reserve des 1. FC Magdeburg. Im Sommer 2009 soll der sportliche Erfolg möglichst nachgeholt werden.

Der Vorstand geht wieder mal voran und betätigt sich jetzt in Sachen Vermarktung als hauptstädtische Avantgarde: Bei dem geheimnisvollen Deal, über den Frau Thiele nicht reden möchte, handelt es sich um ein Stadion-„Branding“: Genauer: Das Hans-Zoschke-Stadion, Heimspielstatt der Lichtenberger Fußballer, soll den Vornamen „Howoge“ erhalten und hieße dann, welch ein Wortmonstrum, „Howoge-Stadion Hans Zoschke“.

Die Wohnungsbaugesellschaft Howoge, die L 47 seit acht Jahren als Sponsor unterstützt, will sich (vorerst bis Ende 2009) die Namensrechte an der schmucken, 9.800 Plätze fassenden Kampfbahn sichern. „Das wird schon in der nächsten Zeit passieren“, erklärt Firmensprecherin Angela Reute.

Die Pläne für das Howoge-Stadion Hans Zoschke sehen vor, dass der L 47-Partner den veralteten Sozialtrakt zu einem modernen Kieztreffpunkt umbaut. Lichtenbergs Fußballer wiederum wollen auf ihrem Sportgelände eine Flutlichtanlage installieren sowie die Open-Air-Haupttribüne überdachen. Sogar von einer Rasenheizung ist die Rede.

„Das Ganze soll in den nächsten zehn Jahren geschehen“, sagt L 47-Geschäftsführer Henry Berthy, der das Bezirksamt bei dem Projekt, das mit rund 500.000 Euro veranschlagt sein soll, hinter sich weiß.

Wird das Branding in der 1952 beim DDR-Pokalfinale zwischen VP Dresden und Einheit Pankow eingeweihten Arena an der Normannenstraße in die Tat umgesetzt, wäre der Amateurverein aus Lichtenberg einen Schritt weiter als mancher Proficlub.

In Sachen Howoge-Stadion Hans Zoschke mussten nicht nur kaufmännische Details berücksichtigt werden. Die Geschichte spielt an der Normannenstraße in Lichtenberg eine große Rolle. Die Tochter von Hans Zoschke, des 1944 von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfers und Arbeitersportlers, wurde um ihre Einwilligung in das Stadion-Präfix „Howoge“ gebeten.

Einen unliebsamen Nachbarn von einst müssen die Verantwortlichen nicht mehr fragen. „Wir haben früher auf dem Hinterhof des MfS gespielt“, erzählt Berthy. Einen Steinwurf vom Rasenplatz entfernt, auf der anderen Seite der Normannenstraße, residierte die Stasi-Zentrale. „Erich Mielke war vier-, fünfmal bei uns im Stadion, als sein BFC Dynamo spielte. Dann hat er sich unters Volk gemischt“, erinnert sich Berthy, seit 1963 ein 47er.

1972 wollte das DDR-Ministerium für Staatssicherheit expandieren. Das Zoschke-Stadion stand im Weg und sollte weichen. Doch Antifa-Gruppen wehrten sich erfolgreich gegen die Abrissbirne. Berthy: „Wir sind den Antifa-Gruppen dankbar, dass es unser Stadion überhaupt noch gibt.“ Jetzt geht es gemeinsam in eine neue Zukunft.

JÜRGEN SCHULZ