Union im Aufstiegskampf: Im Schatten der Hertha

Auch Union Berlin steht an der Tabellenspitze. Der Aufstieg der Köpenicker in die 2. Bundesliga scheint sicher: Ihr Vorsprung auf die Verfolger wächst; das Team bewahrt einen kühlen Kopf. Wenn Hertha nicht so gut wäre, würde das auch mehr auffallen

Wie passt das nur zusammen? Zuerst musste Union-Trainer Uwe Neuhaus zum äußerst mühseligen 1:0-Sieg am Samstag gegen den Abstiegskandidaten Carl Zeiss Jena Stellung nehmen; kurz darauf wurde er gefragt, ob denn für die Berliner die Konkurrenz in der Liga zu schwach sei. Denn anders könne man sich ja nicht erklären, dass Union von Spieltag zu Spieltag seinen Vorsprung ausbaue. Die Aufstiegsrivalen Emden und Düsseldorf hatten erneut zeitgleich gepatzt. Die Rheinländer liegen als Tabellendritter nun bereits zwölf Punkte hinter den Berlinern. Nur die ersten beiden Plätze führen direkt in die zweite Liga.

Während das Zahlenwerk der Tabelle die Unioner als absolut dominant ausweist, spielen auf dem Rasen ihre Gegner meist auf Augenhöhe. Die Partie gegen Jena war ein weiterer Beleg dafür, dass die Berliner nicht aufgrund ihrer Extraklasse, sondern wegen ihrer frappierenden Konstanz in so unerreichbare Höhen entrückt sind: Fast immer ist man diesen kleinen Tick besser. Am Samstag fiel den Köpenickern lange Zeit wenig ein, wie man die leidenschaftlich verteidigenden Gäste aus Thüringen in Verlegenheit bringen könnte. Trainer Neuhaus kennt das zur Genüge: "Erneut ein spätes Tor. Wir wussten, dass wir wieder viel Geduld brauchen würden."

Mit Phasen der Fantasielosigkeit kann niemand in der Liga so lässig umgehen wie Union. Denn auf die Abwehr ist Verlass. Der Defensivverbund mit den Innenverteidigern Daniel Göhlert und Christian Stuff in der Zentrale spielte wieder einmal so aufmerksam, dass man Torwart Jan Glinker fast noch in die Zuschauerstatistik hätte aufnehmen können.

Von den sieben Rückrundenspielen in diesem Jahr hat das Team sechs gewonnen und nur ein Gegentor kassiert. Insgesamt musste Glinker in dieser Saison lediglich 16-mal hinter sich greifen - das ist mit Abstand der Bestwert in allen drei Profiligen in Deutschland.

Wenn mal nichts klappt, dann begnügt sich Union eben mit einem 0:0, wie vergangenen Mittwoch in Burghausen. Gegen Jena benötigte man einen unberechtigten Elfmeter zum letztlich doch verdienten Sieg. Stürmer Kenan Sahin wurde außerhalb des Strafraums gefoult. Torsten Mattuschka verwandelte den Strafstoß souverän und war sich hernach sicher: "Die Konkurrenz wird wieder abkotzen."

Den Offensivkräften Karim Benyamina und Shergo Biran fallen in Sekundenschnelle ein halbes Dutzend Gründe ein, weshalb Union ganz oben steht: "Die gute Abwehr, der hervorragende Sturm, die starken Reservespieler, ein eingespieltes Team und die tolle Stimmung im Kader und absolute Zielstrebigkeit." Letzteres ist wirklich bemerkenswert: Die Fußball-Binse, dass man immer nur ans nächste Spiel denken darf, wird bei Union trotz des großen Vorsprungs mit letzter Konsequenz beherzigt.

Auch am Samstag mahnte Uwe Neuhaus mit seiner unermüdlicher Penetranz: "Wir haben noch nichts erreicht. Wir müssen ruhig bleiben." Bei Union Berlin, wo immer so gern und viel vom Herzblut gesprochen wird, versucht man seit Monaten, emotionalen Überschwang schon im Keim zu ersticken. Fragen zur zweiten Bundesliga werden kategorisch abgelehnt.

Ein wenig langweilig ist das schon, mag sich wohl auch Uwe Neuhaus gedacht haben. Als er gefragt wurde, ob es denn den Fans zuzumuten sei, dass man den Aufstieg vorzeitig im ungeliebten Jahn-Sport-Park in Prenzlauer Berg und nicht im eigenen, frisch renovierten Stadion, der "Alten Försterei", feiere, die frühestens Ende April fertig ist, wurde er erstmals ein wenig keck: "Vielleicht müssen wir den Präsidenten fragen, ob er schneller bauen lassen kann."

Doch auch Union gelingt nicht alles. Trotz der vielen Erfolge im Ausweichstadion hat der Club nur wenig neue Fans mobilisieren können. Lediglich einmal, gegen Dynamo Dresden, kamen mehr als 10.000 Zuschauer. Entsprechend bescheiden fällt auch die Bilanz von Sportdirektor Christian Beeck aus: "Ich glaube schon, dass wir ein paar Zuschauer mehr dazugewonnen haben. Aber genau wissen wir das nicht."

Wie sehr leidet Union derzeit unter dem Hertha-Boom in der Stadt? "Gar nicht", behauptet Beeck leicht genervt. Mit solch mäkelnden Journalistenfragen könne er gar nichts anfangen, bekennt er. Die Presse würde doch mit in die zweite Liga aufsteigen. "Die Stadt ist groß genug für beide Vereine." Dabei ist es eine wenig gewagte These, dass ohne den Hype um Hertha die Erfolge von Union viel besser zur Geltung kämen. Zur Eröffnung der neuen Alten Försterei könnte das neu erwachte Fußballinteresse in der Stadt gebündelt werden. Hertha ist als Premierengast im Gespräch. Manager Dieter Hoeneß hat bereits signalisiert, dass man die Einladung gern annehmen würde.

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