„Wir begreifen uns als Modell“

FUSSBALL Der Drittligist FC Hapoel Abu Gosch/Mevasseret Zion ist ein jüdisch-arabischer Mischverein und allein deshalb ein wahres Politikum in Israel

■ Der 60-Jährige, früher Generaldirektor im Außenministerium Israels, ist Präsident des jüdisch-arabischen Fußballvereins FC Hapoel Abu Gosch/Mevasseret Zion, dessen Jugendmannschaft zurzeit in Berlin zu Gast ist.

taz: Herr Liel, Fußballvereine gibt es viele, auch in Israel. Was ist in Ihrem Klub so anders?

Alon Liel: Wir haben vor sechs Jahren die Idee gehabt, einen jüdisch-arabischen Fußballverein zu gründen. Also nicht einen jüdischen Klub, wo auch Araber mitspielen, oder ein arabischen, wo Juden kicken. Sondern einen Verein, wo beide Religionsgruppen, Juden wie Muslime, völlig gleichberechtigt auf dem Platz und in der Vorstandsarbeit zusammenspielen.

Und das funktioniert?

Ja, nach anfänglichen Schwierigkeiten läuft es wirklich gut. Natürlich gab es zunächst Widerstände. Sowohl in der arabischen Kleinstadt Abu Gosch wie auch bei uns in Mevasseret Zion. Was uns aber einte, waren zwei ziemlich schlechte Fußballteams. Die Araber spielten in der sechsten Liga, wir in der vierten. Also taten wir uns zusammen. Es konnte ja nur besser werden. Jetzt kicken wir immerhin schon drittklassig.

Die Koexistenz von Juden und Arabern ist zumindest sportlich ein voller Erfolg.

Ich hoffe, nicht nur da. Wir selbst begreifen uns als ein Modell, das funktioniert. Vielleicht sogar als ein Gegenmodell zur politischen Stimmung, die gerade in unserem Land herrscht und von dem Außenminister Avigdor Lieberman vertreten wird. Er schürt ja die Idee der Separation. Also die Ideologie, dass Araber und Juden nicht zusammen in einem Staat leben können und dürfen. Wir beweisen mit unserem Verein ja genau das Gegenteil. Es sollten 100 solcher Vereine in Israel gegründet werden, um diesen aktuellen politischen Unfug zu stoppen.

Sie sind also ein politischer Verein, der Fußball spielt?

Nein, von unserem Selbstverständnis her nicht. Auch wenn natürlich in Israel irgendwie alles Politik ist, auch der Fußball. Ich glaube, unser größter Erfolg ist, dass wir mittlerweile als ein fast ganz normaler Fußballverein wahrgenommen werden. In unserer Mannschaft gilt nur das, was überall im Fußball gilt. Bist du gut, dann spielst du. Da zählt keine Religion, nur der Sieg. Auch der israelische Fußballverband behandelt uns nicht anders als andere. Da gibt es keine Extrawurst!

Wie sind die Reaktionen, wenn Ihr Verein auswärts antritt?

Es gibt kaum noch welche. Die Zuschauer akzeptieren uns, wo immer wir Fußball spielen. Egal ob im Süden oder Norden unseres Landes.

Welchen Einfluss hat das Team auf die Beziehung der Nachbarstädte Abu Gosch und Mevasseret Zion?

Die ohnehin traditionell gute Nachbarschaft wurde mit der Gründung eines gemeinsamen Klubs noch deutlich gestärkt. Wir spielen nun in einem Stadion, das Araber wie Juden gleichermaßen als ihr Stadion ansehen, wo sie gerne hingehen. Es gibt Freundschaften über den Sport hinaus. Alles ist viel entspannter als anderswo in Israel. Wir planen nun eine gemeinsame Wasserversorgung für unsere beiden Orte. Ich glaube, dass das überhaupt so ohne Probleme funktioniert, hat auch etwas mit Fußball zu tun.

INTERWIEW: TORSTEN HASELBAUER