Die Hämorrhoiden sind schuld

DOPING Radprofi Franco Pellizotti wird trotz auffälliger Blutwerte nicht gesperrt. Das passt dem Weltverband UCI durchaus in den Kram

PALERMO/ROM taz | Rennradler Franco Pellizotti wurde gestern Nachmittag vom Disziplinarausschuss des italienischen Olympischen Komitees Coni vom Vorwurf des Dopings freigesprochen. Ankläger Ettore Torri hatte zwei Jahre Sperre für den blondgelockten Liquigas-Fahrer gefordert. Zwei Blutwerte Pellizottis – ein Wert für Hämoglobin und einer für Retikulozyten – hatten den Verdacht des Radsportweltverbandes UCI erweckt. Der Verband hatte daraufhin den italienischen Verband mit einer Untersuchung beauftragt. Dass Sportrichter Francesco Plotini die Verdachtsmomente nicht für ausreichend erachtete, lässt an der Wirksamkeit des Blutpasses, mit dem die UCI für sauberere Verhältnisse sorgen will, zweifeln. Das Coni hatte sich in der jüngeren Vergangenheit als konsequent gegenüber Dopingsündern erwiesen. Die Sperre des Fuentes-Klienten Alejandro Valverde ist ein Verdienst der italienischen Sportjustiz.

Doch selbst von diesem Felsen der Rechtschaffenheit drangen in den letzten Wochen widersprüchliche Signale. Cera-Doper Danilo di Luca durfte sich über einen überraschenden Strafnachlass freuen. Er hatte den Staatsanwälten Hinweise auf Dopingstrukturen gegeben. „Namen von Rennfahrern habe ich nicht angegeben“, schob er allerdings gleich hinterher. Di Luca ist es so wichtig, das branchenüblichen Schweigegelübde zu befolgen, dass er in Kauf nimmt, dass sein Straferlass wie ein Gemauschel wirkt.

Ankläger im Visier

Auch Chefankläger Torri sorgte für Irritationen. „Die Radprofis, die ich vernommen habe, haben mir gesagt: Alle nehmen verbotene Substanzen. Doping ist einfach nicht auszurotten“, erklärte er vor zwei Wochen. Torri vergaß zu erwähnen, dass alle Radprofis, die in seinem Dienstzimmer erschienen, durchweg Doper waren. „Wer dopt, erzählt gern, dass er nur deshalb dopt, weil alle anderen dopen. Das bedeutet aber nicht, dass das auch stimmt“, reagierte frustriert der Columbia-Profi Marco Pinotti. Pinotti, ein gelernter Ingenieur, der durchaus über eine berufliche Alternative zum Radsport verfügt, machte immer wieder als Verfechter sauberen Radsports von sich reden.

Torri muss sich außerdem noch mit einer Schadensersatzforderung von fünf Millionen Euro auseinandersetzen, die der Rennstall Liquigas gegen ihn richten will. „Torris Aussagen haben unser Ansehen enorm geschädigt und die Rundfahrtsiege unserer Kapitäne Vincenzo Nibali und Ivan Basso infrage gestellt“, erklärte der Präsident des Hauptsponsors Paolo Zani.

Ob das Coni deshalb eingeknickt ist, war kurz nach Verkündigung der Entscheidung nicht abzuschätzen. Prozessbeobachter hatten eher eine zweijährige Sperre erwartet. Pellizotti selbst reagierte erleichtert. Der juristische Streit kann aber noch weiter gehen, wenn der Rennfahrer Entschädigungen für seine ausgefallenen Verdienstmöglichkeiten – er ist seit Mai suspendiert – ins Auge fasst oder der Weltverband UCI Einspruch gegen den Freispruch einlegt.

Die UCI steht mit dem Freispruch von Pellizotti am meisten unter Druck. Die Zweifel an der Anwendung des Blutmonitorings nehmen zu. Ein Kollege Pellizottis, der für den französischen Rennstall AG2R fahrende Slowene Tadej Valjavec, hat vor dem Sportgerichtshof CAS bereits Klage dagegen eingereicht. Er war ursprünglich wegen Schwankungen seiner Werte suspendiert, wurde von seinem Verband aber wieder für Rennen zugelassen. Er erklärt die Unregelmäßigkeiten mit Magengeschwüren.

Aua am Popo

Valjavec nahm an den letzten Saisonrennen wieder teil. Der Spanier Jesus Rosendo, wie Valjavec und Pellizotti im Frühjahr aus dem Verkehr gezogen, machte Hämorrhoiden für seine Blutbildschwankungen verantwortlich. Auch er fährt wieder Rennen. Pellizotti hatte es nicht nötig, eine Krankheit als Erklärung zu bemühen. TOM MUSTROPH