Verlockender Gewinn

ZOCKEN Bald könnten sich Anbieter von privaten Sportwetten ganz legal auf dem deutschen Markt tummeln

Die Lage: Das Bundesverfassungsgericht erklärte das Wettmonopol am 28. März 2006 für zulässig, weil es mit der Bekämpfung der Spielsucht einen ordnungspolitischen Auftrag erfülle. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs muss das Gesetz für 2012 neu geschrieben werden. Der einzig lizenzierte Wettanbieter in Deutschland ist „Oddset“. Das Internet schuf im Bereich der Sportwetten eine harte Konkurrenz. Private Anbieter, meist mit Sitz in Steueroasen, bieten attraktivere Quoten, weil sie keine staatlichen Abgaben leisten. Viele Online-Buchmacher bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone, da sie keine Lizenz für die Heimatländer ihrer Kunden besitzen. Internet-Glücksspiel ist in Deutschland illegal.

VON JAN LÜKE

José Mourinho betrieb Ursachenforschung. „Vielleicht liegt es ja daran, dass sie Unicef eine Plattform als Werbepartner auf ihren Trikots geben“, witterte der Trainer von Real Madrid in bekannter Manier eine Verschwörung, nachdem seine Elf das Champions-League-Halbfinale gegen den FC Barcelona seiner Meinung nach nur deshalb verloren hatte, weil es vom deutschen Unparteiischen Wolfgang Stark benachteiligt worden war. Womit der portugiesische Exzentriker – bei allen erlaubten Zweifeln an seiner sonstigen Beweisführung – diesmal richtig lag: Denn am Mittwoch hatte im Duell der Trikotsponsoren das vermeintlich Gute gegen das vermeintlich Böse gesiegt – das Kinderhilfswerk gegen den Sportwettenanbieter. Die breite, werbewirksame und millionenschwere Brust der Real-Kicker bewirb der Wettriese bwin.

Ein vergleichbarer Werbeschriftzug wie die tiefschwarzen Lettern auf dem blütenweißen Madrid-Leibchen ist in Deutschland undenkbar. Das Angebot von Sportwetten unterliegt hierzulande einem staatlichen Monopol. Das reglementiert nicht nur das Angebot von Wetten, sondern untersagt auch das Werben mit solchen. Der Großteil – nach einer Schätzung des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) gar 95 Prozent – der hierzulande angebotenen Sportwetten bewegt sich jenseits der Grenze zum Erlaubten. Ausländische Anbieter, die ohne scharfe gesetzliche Restriktionen von Steueroasen wie Gibraltar oder Malta aus handeln, dominieren den blühenden und milliardenschweren Schwarzmarkt. Horrende Summen fließen schnurstracks an den deutschen Staatskassen vorbei in die Taschen von Internet-Wettbüros. Ein Zustand, dem alsbald ein jähes Ende gesetzt werden könnte: Der Markt der Sportwetten in Deutschland soll zukünftig unter staatlicher Kontrolle geöffnet werden.

Seit dem 1. Januar 2008 besitzt der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag seine Gültigkeit. Anbieter von Glücksspielen sind demnach keine Wirtschaftsbetriebe mit freien kapitalistischen Interessen, sondern unterliegen dem Ordnungsrecht der Länder, das mit der Bekämpfung von Spielsucht ein ordnungspolitisches Ziel verfolgt. Der Vertrag aber verliert mit Jahresende seine Wirkung und muss nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, der das Monopol für unzulässig erklärte, neu geschrieben werden. Die Ministerpräsidentenkonferenz zeigt sich dementsprechend nun umtriebig: Am 9. Juli sollen die Landeschefs gemeinsam einen Kontrakt unterzeichnen, der schließlich in den Landesparlamenten beschlossen wird. Die bislang bedeutsamste Etappe auf dem Weg dorthin: Am 6. April berieten sich die Ministerpräsidenten in Berlin. Das erhoffte durchschlagskräftige Resultat aber blieb aus. Der Vorschlag: Das Lotteriemonopol soll in Deutschland beibehalten werden, den Markt der Sportwetten aber möchten die Landesvertreter unter Auflagen für private Anbieter öffnen. Bis zu sieben Wettfirmen sollen bundesweit eine Lizenz erhalten und eine Konzessionsabgabe auf den Wetteinsatz an den Staat abführen. Sie liegt bei 16,67 Prozent. Livewetten, bei denen etwa das nächste Tor im Fußball getippt wird, sollen verboten werden. Eine Lockerung ist für das Werben mit Wettanbietern vorgesehen: Trikot- und Bandenwerbung von Wettanbietern sollen erlaubt werden, Fernsehspots aufgrund ihrer Einflussnahme direkt vor dem Sportwettkampf dagegen verboten bleiben. Schon innerhalb der Ministerkonferenz selbst aber hatte sich eine erste prominente Gegenstimme für den Entwurf gefunden: Das von CDU und FDP regierte Schleswig-Holstein sprach sich für eine weiter reichende Liberalisierung des Marktes aus – und damit gegen den einheitlichen Staatsvertrag.

In die gleiche Kerbe schlugen die Vertreter des Sports. „Die Richtung des Weges stimmt, aber der Rucksack, den die Ministerpräsidenten dem Konzessionsmodell aufgebürdet haben, ist noch zu schwer. So dürfte das Ziel, die Sportwetten staatlich kontrolliert zu öffnen, kaum zu erreichen sein“, kritisierte Michael Vesper, Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Die Konzessionsabgabe sei im europäischen Vergleich nicht marktgerecht, woran die Kanalisierung in den legalen Markt scheitern könne, die Limitierung der Konzession auf sieben Anbieter rechtlich nicht haltbar und die Ungleichbehandlung verschiedener Werbeformen unverständlich, ließ der DOSB verlauten.

„Das Gefährdungs- potenzial von Sport- wetten gilt aus suchtpräventiver Sicht als hoch“

MARITA VÖLKER-ALBERT, SPRECHERIN DER BUNDESZENTRALE FÜR GESUNDHEITLICHE AUFKLÄRUNG

Ähnlich argumentierte die Initiative Profisport Deutschland (IPD), eine Vereinigung der großen Profi-Ligen, der auch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) angehört. „Im internationalen Markt ist der Vorschlag, der im Raum steht, nicht haltbar. Es handelt sich vielmehr um eine Scheinöffnung, die nicht marktgerecht ist“, sagt Frank Bohmann der taz. Der stellvertretende IPD-Sprecher und Geschäftsführer der Handball-Bundesliga befürwortet das liberale Modell aus Schleswig-Holstein – nicht zuletzt aus eigenem Anliegen: „Natürlich haben wir aus der Sicht des Profisports ein Interesse daran, dass sich die Anbieter in einem offenen Markt bewegen können. Wir schätzen das Sponsoringvolumen durch Sportwetten-Anbieter jährlich zwischen 200 und 400 Millionen Euro für den gesamten deutschen Sport. Von dieser Summe kann der professionelle Sport stark profitieren“, sagt Bohmann, der auch großes Potenzial für den Breitensport sieht.

Ganz anders positionieren sich jene Interessenvertreter, welche die Glücksspielsucht bekämpfen. Sie befürworten zwar eine Überführung von Sportwetten in den staatlich regulierten Sektor grundsätzlich, eine zu starke Lockerung des Sportwettenmarktes stößt aber auf Unverständnis: „Das Gefährdungspotenzial von Sportwetten gilt aus suchtpräventiver Sicht als hoch“, sagt Marita Völker-Albert, Sprecherin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Der Schutz der Wettspieler aber komme im neuen Modell zu kurz, erklärt Gerhard Meyer. Gerade den liberalen schleswig-holsteinischen Vorschlag bewertet der Psychologie-Professor der Uni Bremen und Glücksspielexperte als „unzureichend, willkürlich, unsystematisch und an den Geschäftsinteressen der Anbieter ausgerichtet“. Und weiter: „Das Modell aus Schleswig-Holstein wird einer Suchtprävention überhaupt nicht gerecht. Es kann auf alles gewettet werden, es gibt keine Sperren für Wettsüchtige und keinerlei Beschränkungen über Wettbeträge, was aus Sicht der Wissenschaft relevante Parameter für Spielsucht sind.“

Die Marktliberalen würden natürlich am liebsten alle Spielsüchtigen abschaffen, damit die Glücksspielindustrie ungehindert Millionengewinne einstreichen kann. Auch die Länder könnten ihre Bilanzen hübsch aufpolieren. Und dann wäre ja noch ein kräftiger Geldfluss von der Zockerindustrie in Richtung Profisport. José Mourinho weiß über die Nachteile freilich längst Bescheid: Am Ende gewinnen doch eh immer die Guten.