Kohle statt Präsentkorb

SKISPRINGEN Die Besten können längst bestens von ihrem Sport leben. Wenn sich die Österreicher mit den wiedererstarkten Deutschen messen, ist das auch gut fürs Geschäft

Eine Million Schweizer Franken bekommt, wer alle vier Springen der Tournee gewinnt

AUS OBERSTDORF KATHRIN ZEILMANN

Die Geschichte wird immer noch gern im Springerlager kolportiert: Als Dieter Thoma im Winter 1989/90 die Vierschanzentournee gewann, gab’s einen Geschenkkorb. Es war damals lange Jahre üblich, dass die Veranstalter bei örtlichen Firmen um Präsente für die mutigen Flieger warben. Es gab dann beispielsweise Haushaltsgeräte als Dank für spektakuläre und weite Flüge. Heute haben die Organisatoren eine Million Schweizer Franken ausgelobt – sollte jemand alle vier Springen der Vierschanzentournee gewinnen. Dieses Kunststück ist bekanntlich nur einem einzigen Athleten bislang gelungen: Sven Hannawald vor zehn Jahren. Der hat ein bisschen gegrummelt ob der neuesten Marketing-Idee der Tournee-Veranstalter. So ein satter Betrag reize schon sehr, sagte er. Für seinen Triumph seien damals kurzfristig 50.000 Euro aufgetrieben worden. Aber die derzeitigen Protagonisten haben glaubhaft versichert, dass sich ihre Motivation nicht am Millionenbetrag festmache. „Das ist nicht relevant“, sagt Thomas Morgenstern aus Österreich, Tourneesieger des Vorwinters.

Aber die Entlohnung der Skispringer sagt viel über die Entwicklung, die dieser Sport genommen hat. Wer heute ein Weltcup-Skispringen gewinnt, muss weder mit einem Präsentkorb noch mit Haushaltsgeräten vorlieb nehmen. 20.000 Franken gibt es dafür. Wer die Tournee ohne Vierfachsieg für sich entscheidet, bekommt noch 20.000 Franken extra. Zum vielfachen Millionär kann man es im Schanzensport zwar immer noch nicht bringen, aber wer gute Sponsorenverträge aushandelt, hat ausgesorgt.

Dass Morgenstern bei einer Pressekonferenz alle paar Minuten einen Schluck aus einer Trinkflasche seines Hauptsponsors nimmt, liegt sicher nicht daran, dass der Redefluss so durstig macht. Auch Andreas Kofler, Sieger 2010, hat seine Getränkeflasche stets bei sich. Und Severin Freund setzt sich mit Pudelmütze ins gut beheizte Pressezentrum. Er wirbt per Kopfbedeckung für Süßigkeiten.

Die Vierschanzentournee ist eben eine große Bühne. „Da steckt Tradition und Kultur dahinter“, sagt Österreichs Cheftrainer Alexander Pointner. Wenn die Springer die Schanze in Oberstdorf erblicken, fühlen sie sich wie in einer „Art Wohnzimmer“, sagt Hannawald: „Oberstdorf ist ein besonderer Ort.“

Die Vorfreude hat sich längst über die Allgäuer Gemeinde gebreitet. War der Andrang nicht besonders groß, als die derzeit besten Skispringer im Kurpark mit lautem Getöse dem Publikum präsentiert wurden? War der Jubel bei den deutschen Startern nicht besonders laut? Das sind natürlich subjektive Parameter. Aber die Tatsache, dass Richard Freitag bereits ein Weltcupspringen in diesem Winter für sich entschieden hat, euphorisiert das deutsche Publikum spürbar. Die eigenen Leute sind nicht mehr nur Nebendarsteller. Und das macht auch die Konkurrenz froh. Deutschland ist ein wichtiger Markt. Wenn bei österreichischen Seriensiegen das deutsche Publikum abschaltet, nützt das den österreichischen Seriensiegern nichts. Sven Hannawald und Martin Schmitt hätten den Sport unglaublich befördert, sagt Pointner. „Damals mit diesem Riesenhype haben wir einen großen Schritt gemacht.“

Überall in Oberstdorf sind derzeit die Bilder von Hannawalds Erfolgsrausch von vor zehn Jahren zu sehen. Es waren strahlend schöne Wintertage damals. Er sprang und jubelte unten wie ein Flummi. Droben stand der damalige Bundestrainer Reinhard Heß mit Tränen in den Augen. Der Wetterbericht für den ersten Sprungtag 2011/2012 hat Schmuddelwetter prophezeit. Schlechte Vorzeichen für magische Tage. Dann bleibt die Million eben im Tresor.