Trachten-Incentive für Zugezogene

FINALE II Der FC Bayern München steht für einen ganzen Volksstamm, doch richtig bayerisch ist wenig an dem Millionenbetrieb

Uli Hoeneß, Präsident, Bauch und Seele des Klubs, geht als Ulmer nicht wirklich als Oberbayer durch

AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER

Weißbier? Aber sicher doch! Im Erfolgsfall werden aus sehr großen Gläsern wieder sehr viele Liter des bayerischen Nationalgetränks fließen – weniger durch durstige Sportlerkehlen als vielmehr über Trainer-, Spieler- und Präsidentenschädel. Ungetrunken wird der Gerstensaft im Rasen versickern, nur Sekunden nachdem er von gar lieblich bedirndelten Damen angereicht wurde. Bayerisches Finalbrauchtum. Ein Prosit der Unwirklichkeit! Ausnahmezustand. Denn ansonsten ist die Unternehmenskultur des FC Bayern München nur mäßig bayerisch geprägt.

In der Sportberichterstattung geht es um Verknappung. So wird aus dem FC Bayern München der FC Bayern, dann heißt es „die Bayern“ und schließlich nur noch: Bayern. Ein Fußballverein steht für ein ganzes Bundesland, einen kompletten Volksstamm. Dass der kickende Teil des Klubs aus aller Herren Länder stammt, ist längst überall Sitte, wo mit Fußball viel Geld verdient wird. Aber auch der Kern des Klubs, der Führungszirkel des Millionenunternehmens FC Bayern AG, ist längst nicht mehr in der Hand von Bayern.

Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge kommt aus Lippstadt, wirkt in Lodenmantel oder Lederhose eher verkleidet und würde mit seinem soignierten Habitus viel besser nach Mailand passen. Auch Uli Hoeneß, Präsident, Bauch und Seele des Klubs, geht als Ulmer nicht wirklich als Oberbayer durch, auch wenn er am Tegernsee, im Bilderbuch-Oberbayern, lebt. Weit jenseits des Weißwurstäquators ist die Trainerschaft zu Hause: Jupp Heynckes kommt vom Niederrhein, sein Assistent Peter Hermann aus Kleinmaischeid bei Montabaur. Torwarttrainer Toni Tapalovic ist Gelsenkirchener. Sportdirektor Christian Nerlinger kam in Dortmund zur Welt. Und Klubarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt ist Ostfriese. Na servus!

Nur gut, dass wenigstens die Fahrerin des Bayern-Busses ein wenig krachert daherkommt: Sandra König verbirgt ihr heimisches Idiom nicht. Im Gegensatz zum Großteil der Profis, deren Dialektfärbung eher fernsehtauglich neutral ist. Mit Philipp Lahm und Diego Contento gehören zwar zwei Münchner Kindl zum Kader, doch so, wie man sie reden hört, könnten sie auch beim HSV spielen. Lediglich Bastian Schweinsteiger (Kolbermoor bei Rosenheim) und Thomas Müller (Pähl bei Weilheim) traut man herzhaft-bairische Kraftausdrücke zu. Franck Ribéry lernt lieber Wienerisch – von David Alaba. „Bist du deppert!“ kann er angeblich schon.

Immerhin: Die Schafkopfrunden gibt es noch. Sogar Saupreißn wie Manuel Neuer dürfen mitspielen: Liberalitas Bavariae! Auch immer dabei: Physiotherapeut Fredi Binder. Er hat schon mit dem bekennenden Weißbiertrinker Klaus Augenthaler gekartelt. Überhaupt: das Bier. Logisch, dass ein Klub aus der Bierstadt eine Brauerei im Sponsorenpool hat. Pokalsiege in Berlin feiern die Bayern aber nicht im Wirtshaus, sondern in der Repräsentanz des Hauptsponsors, eines rheinischen Kommunikationsunternehmens.

Die seligen Zeiten des Maier Sepp, der „Katze von Anzing“, oder der Giesinger Franz und Katsche sind lange vorbei. Wobei: Den Bürobedarf bezog der Klub jahrelang vom kleinen Schreibwarenladen des Georg „Katsche“ Schwarzenbeck in der Ohlmüllerstraße. Und den noblen Holzständer für die bleischwere Bayern-Chronik ordert der Verein nicht irgendwo, sondern beim Möbelmacher Udo Horsmann, dem Europapokalsieger von 1976. Dennoch: Der FC Bayern ist längst ein klassisch globalisiertes Unternehmen. Einmal im Jahr schmeißt man sich zum Firmen-Incentive „Oktoberfest“ kollektiv in Tracht, trinkt Bier aus zu großen Gläsern und tut sich rechtschaffen schwer beim finalen „Pfiats eich!“. Kölns Expräsident Wolfgang Overath konnte sich am Ende der Klüngelei wenigstens im korrekten Slang verabschieden: „Maat et joot!“ Beim FC Bayern der Jetztzeit hieße es wohl eher „Tschüß“.