Der Neubau des Altbaus

Vor 15 Jahren schuf der Architekt Gerhard Spangenberg eine Unterkunft für die taz

Zur taz gehört auch ihre Herberge: das Rudi-Dutschke-Haus, Kochstraße 18 in Berlin. Nur ein paar Schritte zum Checkpoint Charlie, nur einen Steinwurf vom Kreuzberger Zentrum entfernt und in Blickweite das Axel Springer Haus. Der alte Sandsteinbau bekam zum Einzug vor 15 Jahren extra einen Neubau angepasst. Architekt Gerhard Spangenberg erinnert sich.

„Bei der taz wurde es Ende der Achtzigerjahre eng“, sagt er. „Sie wollte erweitern.“ Das alte Redaktionsgebäude an der Wattstraße bot nicht mehr genug Platz für die vielen Mitarbeiter. Gleichzeitig war am Checkpoint Charlie ein Haus frei geworden, ein ehemaliger Gewerbebau. Für die taz die Chance, ins alte Zeitungsviertel an die Friedrichstraße nach Kreuzberg zu ziehen. Und damit näher ran an den Leser.

taz-Geschäftsführer Kalle Ruch hatte den Architekten kennen gelernt und engagiert, als dieser eines seiner Projekte vorstellte: eine Hochgarage, die zu einem Kindergarten umfunktioniert wurde. „Das gefiel mir“, sagt Ruch. Für Spangenberg war es zu dieser Zeit vor allem wichtig, einer Haltung vieler Kollegen Paroli zu bieten, die lediglich „stimmungsökologisch“ war und nicht konsequent umweltbewusst. „Lehm an Stahlbeton und viele Pflanzen, das reicht nicht“, meint er. „Es ging nicht darum, einfach bloß gemütlich zu bauen.“ So bekam der alte Sandsteinbau – „ohne zu glätten oder wegzuschminken“ – zuerst eine neue Innenausstattung aus Glaswänden zur Unterteilung der großen Etagen. Und dann noch einen Neubau aus Glas, Stahl und Beton nebenan, einen richtigen kleinen Bruder: „Der Neubau bezieht sich auf den Altbau, ohne sich ihm anzupassen.“

Die Vorgaben an den Architekten waren klar umrissen, die Wunschliste lang: Für wenig Geld sollte er einen funktionalen, aber schönen und ökologisch durchdachten Bau entwerfen – und zwar „schnell, schnell“. taz-Anwalt Johnny Eisenberg habe dann noch in den Raum gerufen „der kriegt aber kein Geld“, erinnert sich Spangenberg lächelnd. Der neue Anbau, der „taz-Tower“, war trotzdem eins der liebsten Projekte des gebürtigen Hamburgers, der Anfang der 60er-Jahre an der Berliner TU studierte und seit 1968 freiberuflich arbeitet. Denn die zukünftigen Bewohner haben „laut mitgedacht“: „Jeder kam angelaufen und erklärte mir, bei welchem Kollegen er ganz nah sitzen wollte und neben welchem auf keinen Fall“, so Spangenberg. Dazu kamen Ideen von Senat, Bezirk und Anwohnern: „Wer in Kreuzberg bauen will, muss einfach davon ausgehen, dass viele mitreden.“

Nach einem Kassensturz sei eine „kleine Lösung“ geblieben. Spangenberg lehnte den Neubau in seiner Struktur an den Altbau an. „Durch die Trennwände aus Glas zwischen den Büros im Altbau kann man optisch Kontakt halten, aber der Lärm wird abgefangen“, erklärt er. Der Neubau besteht nur aus sehr modernen Materialien, einen „veredelten Rohbau“ nennt Spangenberg sein Werk. „Man kann und soll die Wände, Stahlträger und Kabelverkleidungen noch sehen.“ 1990 konnte die Redaktion einziehen.

Spezialistentum ist Gerhard Spangenberg fremd. „Ich will mich in jede Aufgabe immer wieder neu eindenken“, beschreibt er. Viel beachtet war seine Umsetzung der Ausstellung „Palast der Götter“ mit indischer Sakralkunst im Indischen Museum in Dahlem. Im Moment habe er sich an der Spree festgebissen, wo er vor allem gern eine neue Brücke als Verbindung zwischen Kreuzberg und Friedrichshain verwirklichen würde. „Es soll eine Verkehrsbrücke mit Nutzfläche für Geschäfte werden“, sagt er. „Eine lebendige Brücke, denn letztendlich macht ja doch immer das Leben ein Bauwerk aus.“ JULIANE GRINGER