wohin gehen sie?

Andreas Seibert: „From Somewhere to Nowhere. China’s Internal Migrants“. Lars Müller Publishers, Baden 2008. 320 Seiten, 227 Farbabb., 39,90 Euro

Angesichts der überwältigenden Bilder dieses Fotobands ist Brechts lesender Arbeiter nicht weit, der fragt, „wohin gingen an dem Abend, wo die chinesische Mauer fertig war, die Maurer?“ Die Frage ist noch immer offen. Auch der Schweizer Fotograf Andreas Seibert findet keine Antwort. Dabei hat er die chinesischen Wanderarbeiter beobachtet, die heute in Peking und in der Sonderwirtschaftszone des Perl River Delta unter anderem auf den Baustellen schuften, auf denen internationale Stararchitekten wie Herzog/de Meuron oder Rem Koolhaas repräsentative Büropaläste und Megastadien errichten. Seibert hat aber nicht nur den Alltag der Arbeiter in den Ballungszentren dokumentiert. Er war auch mit ihnen zu Besuch in ihren Heimatdörfern, in die eine endgültige Rückkehr oft außer Frage steht. Wohin also gehen die Maurer, wie endet ihre moderne Völkerwanderung, sobald sich China endgültig als internationale Wirtschaftsmacht etabliert hat? Selbst die chinesischen Bürgerechtsaktivisten Chen Guidi und Wu Chuntao wissen es so wenig wie der Asienspezialist Jeff Kingston, die in ihren Essays den wirtschaftlichen und sozialen Hintergrund erhellen. Aber Andreas Seibert geht es nicht um die Antwort, sondern um die Frage. In seiner grandiosen Langzeitbeobachtung hat er ein schlagendes Argument, sie wieder und wieder zu stellen.