Der gute Hirte muss den Strahlemann ersetzen

Thomas Jurk führt jetzt die Sachsen-SPD. Bis zum Wahldebakel im September soll er die Partei zusammenhalten

Halb zog man ihn, halb sank er hin auf den Sessel des SPD-Fraktionsvorsitzenden im Sächsischen Landtag. Das war im Herbst 1999 nach dem 10,7-Prozent-Debakel seiner Partei bei der vorigen Landtagswahl, als der langjährige Spitzenmann Karl-Heinz Kunckel resignierte und den Platz für Thomas Jurk räumte.

Den Landesvorsitz übergab Kunckel damals an Constanze Krehl. Beide Erben versuchten sich im Verlegenheitsloch nach der Tiefensee-Absage in diesem Jahr als sächsische SPD-Doppelspitze. Nachdem Krehl Montag das Handtuch warf, amtiert Jurk nun auch als Landeschef.

Dabei hat Jurk keinesfalls öffentlich seine Partnerin attackiert oder heimlich gegen sie intrigiert. Das kann der gutmütige, mit Ausnahme von Betroffenheitspausen freundlich wirkende Mann gar nicht. Seine umfängliche Erscheinung kollidiert offenbar mit seinem umgänglichen Wesen. Wenn paradoxerweise gerade diese Grundehrlichkeit kritisiert wurde, klang es oft so, als bringe Jurk nicht die demagogischen Grundvoraussetzungen für einen Politikerjob mit. Kämpferische Qualitäten aber zeigt der freundlich Mann zumindest am Rednerpult. Da kann er richtig konfrontativ opponieren, auch ein Dissenspunkt mit Constanze Krehl.

Bezeichnenderweise hat er sich in den 90-er Jahren auf einem Feld profiliert, das eigentlich eine solche Grundehrlichkeit verlangt. Seine besten Auftritte hatte er in Haushaltsdebatten, wenn es um Finanzpolitik ging - auch ohne akademische Qualifikation.

Thomas Jurk kann, gemessen an der Zusammensetzung der heutigen Sozialdemokratie, schon fast als Arbeiter und Bauer gelten. Funkmechaniker hat der gebürtige Görlitzer gelernt und diesen Beruf in einer Handwerksgenossenschaft bis 1990 ausgeübt. In der Lausitz, wo sich inzwischen anstelle der abwandernden Menschen wieder Wölfe ansiedeln, trat er als Mann der ersten Stunde 1989 der SPD bei.

Neben den Parteiämtern, in die er gewählt wurde, mutet sich der rührige Jurk noch eine Fülle von Ehrenämtern zu. Eher still ist er zu der Popularität gelangt, die auf der Landeswahlkonferenz am Sonntag offenkundig wurde – und die seiner Parteifreundin Krehl ohne sein aktives Zutun zum Verhängnis wurde.

Beinahe väterlich wirkt der erst 42-Jährige. Wenn sich die gequälte SPD schon nicht hinter dem Strahlemann Tiefensee versammeln kann, dann zumindest hinter einem guten Hirten. Mühsam hat er die Partei Ende vorigen Jahres nach der Tiefensee-Absage zusammengehalten. Mehr noch galt das für die Landtagsfraktion, als der Streit um den so genannten Reformkurs der Bundesparteispitze beinahe zu Abspaltungen geführt hätte.

Auf diese Themen angesprochen, leidet Jurk spürbar. Einesteils spricht er von Unausweichlichkeiten, andererseits von sozialer Gerechtigkeit, ohne die es keinen modernen Staat geben kann. Am Ende stabilisiert ihn die Zuversicht, dass es nach jedem Tal auch wieder bergauf gehen soll. MICHAEL BARTSCH