Kommentar Linksparteitag: Trompetenstöße aus der Wagenburg

Die Linkspartei darf nicht nur auf radikal setzen - denn dann manövriert sie sich ins Aus.

Die Linkspartei, hieß es früher, sei erst dann endgültig im Westen angekommen, wenn sie sich in Nordrhein-Westfalen etabliert habe. Denn das sei der Beweis, dass es sich bei ihr nicht um ein flüchtiges Protestphänomen handele, sondern um eine wetterfeste Partei in Ost und West.

Es sieht so aus, als hätten Lafontaine & Co dies geschafft. Zumindest ist es zum Greifen nah. Die Partei gewinnt in NRW zügig neue Mitglieder. Laut Umfragen kann sie im Ruhrgebiet, einst Herzkammer der SPD, mit 17 Prozent rechnen. Doch wo der Erfolg ist, wächst auch das Gefährliche, sprich: Verbalradikalismus und Selbstisolierung. Ein Symbol dafür ist die Wahl von Sahra Wagenknecht, die die Linkspartei auf ihrem Parteitag in Essen mit einem spektakulären Ergebnis auf ihre Bundestagsliste hievte. Wagenknechts Erfolg in NRW ist eine Art Folgeschaden der Finanzkrise. Viele in der Linkspartei haben das nahe liegende Gefühl, dass ihre Fundamentalkritik am Kapitalismus richtig war. Deshalb soll die Linkspartei jetzt ganz laut und ganz radikal sein. Ja, sie muss es sogar sein, weil sonst ihre Stimme im Chor der Finanzmarktregulierer unterzugehen droht.

Dieser Logik folgt Wagenknechts Wahl in NRW. Die Repräsentantin der Kommunistischen Plattform garantiert eine Art Copyright auf Kapitalismuskritik. Da nimmt man es mit ihrem diffusen Verhältnis zur DDR nicht so genau. Doch wenn die Linkspartei nur auf radikal setzt und allen ins Ohr trompetet, es schon immer gewusst zu haben, wird sie sich ins Aus manövrieren. Sie muss gerade in der Krise beides tun: zeigen, dass sie sich substanziell von Merkel und Steinmeier unterscheidet und konkrete Lösungen vorschlagen.

In Essen dagegen dominierte die Rhetorik des großen Nein - gegen Kapitalismus, Nato und überhaupt. Das mag taugen, um die Partei für den Augenblick zu einen. Zum stabilen Machtfaktor wird sie so nicht. Ulla Jelpke, Wortführerin der radikalen "Antikapitalistischen Linken", warnte in Essen vor einer "Sozialdemokratisierung". Das klingt nicht selbstbewusst und aufstrebend. So redet man in der Wagenburg.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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