RALPH BOLLMANN ÜBER DIE NIEDERLAGE DER CSU IN DER EUROPAPOLITIK
: Die Grenzen des „Wünsch dir was“

Diesen Freitag sollte man sich in der Chronik der Unionsparteien dick anstreichen. Die CSU-Landesgruppe im Bundestag hat dem Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag zugestimmt, obwohl von den Änderungswünschen der bayerischen Regionalpartei so gut wie nichts übrig geblieben ist. Das ist neu in der Ära Seehofer. Seit der wendige Populist vorigen Herbst die beiden Münchener Spitzenämter übernommen hat, war ihm die Kanzlerin in fast allen Fragen entgegengekommen. Sie senkte wunschgemäß die Steuern, modifizierte die Erbschaftsteuer, ermäßigte die Abgaben auf Agrardiesel.

Aus mehreren Gründen ist diese Politik des „Wünsch dir was“ nun erstmals an Grenzen gestoßen. Anders als das Steuerrecht ist die Europapolitik für Angela Merkel eine Frage der außenpolitischen Glaubwürdigkeit, die sie nicht einfach preisgeben kann – was ihr auch wahltaktisch schlecht bekäme. Zudem hatte Seehofer seine Partei in der Europafrage nicht geschlossen hinter sich. Nicht nur Brüsseler, sondern auch viele Berliner Parlamentarier wollten sich vom Münchener Vorsitzenden nicht in eine schwer haltbare Position zwingen lassen, die noch dazu ihren Überzeugungen widersprach.

Seehofers Niederlage hat aber auch grundsätzliche Bedeutung; sie markiert eine Wende in den Beziehungen von CDU und CSU. Richtig gemütlich ist für die CSU keine der Konstellationen, in denen sie nach dem 27. September regieren könnte. Selbst im Wunschbündnis mit der FDP wäre sie der mit Abstand kleinste Partner. Die Partei befände sich in einer unkomfortablen Lage wie derzeit in der großen Koalition, deren Fortsetzung sie ebenfalls nicht wünschen kann – von einer schwarz-grünen Kombination ganz zu schweigen. So leicht wie im zurückliegenden Jahr wird es Seehofer auf dem Berliner Parkett nie wieder haben.