Kommentar Rentengarantie: Letzte Reform vor dem Systemwechsel

Es war es richtig, die Renten nicht zu senken. Langfristig wird nichts anderes übrig bleiben, als die Rente stärker über Steuern zu finanzieren.

Ist das noch gerecht? Nächstes Jahr werden die Einkommen vieler Arbeitnehmer sinken - weil sie ihren Job verlieren oder die Firmen übertarifliche Leistungen streichen. Die Renten hingegen sollen nicht schrumpfen: Per Gesetz wird garantiert, dass es keine nominalen Kürzungen gibt. Es wirkt schon merkwürdig, dass es 2010 den Rentnern besser gehen soll als vielen Lohnabhängigen, die doch die Altersbezüge finanzieren.

Dennoch war es richtig, die Renten nicht zu senken. Denn im Westen stagnieren sie seit 1995; entweder wurden glatte Nullrunden verordnet oder nur minimale Erhöhungen beschlossen. Seit mehr als einem Jahrzehnt sind die Rentner also nicht mehr am Wirtschaftswachstum beteiligt worden. Stattdessen wurden ihre Altersbezüge durch die Inflation entwertet. Es wäre ein Skandal gewesen, nach diesen realen Kürzungen die Renten auch noch nominal zu senken.

Zudem ist abzusehen, dass die Rentner auch vom nächsten Aufschwung nichts haben werden: Die Nullrunden dürften sich bis weit ins nächste Jahrzehnt erstrecken. Damit wird sich recht schnell die Systemfrage stellen: Noch gehören die Rentner nur selten zu den Armen, doch lange kann es nicht mehr funktionieren, dass die Inflation ihre Altersbezüge wegfrisst.

Eine sichere Alternative zur staatlichen Rente existiert jedoch nicht, wie in der Finanzkrise all jene leidvoll erfahren mussten, die lieber in Fonds und Aktien investiert haben. Zudem krankt die private Vorsorge an dem prinzipiellen Problem, dass nicht jeder genug verdient, um sich seine Rente anzusparen.

Langfristig wird nichts anderes übrig bleiben, als die Rente stärker über Steuern zu finanzieren. Der Charme: Dann könnten sich auch die Leistungsstarken nicht mehr entziehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.