Kommentar Brandanschläge in Berlin: Fakten statt Verdächtigungen

Warum schwarz-gelbe Politiker und Polizeigewerkschafter vor einer "neuen RAF" warnen, ist klar. Die linke Öffentlichkeit sollte sich auf diesen Unsinn nicht einlassen.

Kaum brennt ein Auto, eine Stromleitung oder ein Kabelschacht - schon vermuten große Teile der Öffentlichkeit eine politische Motivation der Täter. Und zwar eine linke. Dabei hat die Polizei bisher nicht nur niemanden verhaftet. Es gibt auch keine Verdächtigen. Die Bundesanwaltschaft sieht keinen Grund einzugreifen. Warum also die Vermutung, es seinen Linke am Werk gewesen?

Ja, unter den wegen Autoabfackelns in Berlin Festgenommenen finden sich auch Leute, die sich als Linke sehen. Aber sie sind nicht die Mehrheit der Tatverdächtigen. Die allermeisten Linken lehnen sie und ihre Aktionen ab. Nicht nur das breite Spektrum, das sich auf demokratische Spielregeln eingelassen hat, sondern auch die, die sich "radikal" nennen.

Natürlich gibt es Linke, die auf Vandalismus setzen. Aber das tun auch rechtsextreme Kameradschaften, Islamisten und unpolitische Einzeltätern. Im Falle der jüngsten Brandanschläge auf den Berliner Hauptbahnhof liegt immerhin ein Bekennerschreiben vor, das aus der extremen Linken kommen könnte. Aber: Kapitalismuskritik mit sozialen Forderungen zu einem Politpamphlet zu verrühren, das schafft in Zeiten von Cut&Paste jeder Teenager.

RÜDIGER ROSSIG ist Redakteur im Meinungsressort der taz.

Warum schwarz-gelbe Politiker und Polizeigewerkschafter vor einer "neuen RAF" warnen, ist klar: Erstere suchen Themen, mit denen sie sich in der politischen Arena profilieren können; Letztere wollen mehr Mittel und Personal für ihre Institutionen. Warum aber lässt sich auch die linke Öffentlichkeit - ohne Not und ohne Fakten - auf diesen Unsinn ein?

Die extremistische Linke spielt abseits von immer kleineren Kreuzberger Maifestspielen seit Jahren keine Rolle mehr. Das ist angesichts der Krise des Kapitalismus verwunderlich. Ein Grund, sich linke Vandalen herbeizuwünschen, die stellvertretend Protest sichtbar machen, ist es nicht.

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Leiter der DW-Sprachredaktion bosnisch-kroatisch-serbisch. Geboren 1967 in Mannheim, 1987 Lokalreporter beim Mannheimer Morgen, 1988 Moderator des Linksrheinischen Rundfunks, Ludwigshafen, seit 1991 Autor und 1993 bis 2018 Redakteur der taz, der Reihenfolge nach in der Ressorts Ausland, Meinung, Schwerpunkt, taz.zwei, Wirtschaft+Umwelt, taz.eins. 1995 Reporter bei UNTV, Zagreb, Kroatien, 1996-98 Redakteur und Moderator bei UN Radio Sarajevo, Bosnien-Herzegowina und eFM Radio Sarajevo. 1998 und 99 Leiter der OSZE-Wahlüberwachung im Kanton Sarajevo. Gelernter Balkanologe, studierter Osteuropa-Historiker. Magisterarbeit über die Genese der Rockszene (Ex-) Jugoslawiens. 2008 erschien sein Buch „(Ex-)Jugos“ beim Berliner Archiv der Jugendkulturen. Gitarrist der Berliner Skaband „Blechreiz“.

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