GEHT’S NOCH?
: Am Tropf des Terrors

Der Westen will wieder verhandeln, mit Syriens Präsident Assad. Die falsche Idee – denn ihm liegt nichts am Frieden

Faschist, Massenmörder, Giftgaseinsetzer – na ja, shit happens. Wer durchhält und durchzieht, qualifiziert sich am Ende doch für die USA und auch für den ganz kleinen deutschen Bruder als Gesprächspartner. Und so kündigte Außenminister Kerry unlängst Verhandlungen mit Baschar al-Assad an und widersprach sich ein paar Tage später. Vor zwei Tagen dann klaubte Franz-Walter Steinmeier den vom US-Kollegen fallen gelassenen Faden wieder auf und ließ sich wie folgt zitieren: „Der Weg zu einem Ende der Gewalt führt einzig über Verhandlungen für eine politische Lösung, auch wenn das Gespräche mit dem Assad-Regime notwendig macht.“

Und hat er nicht recht? Nach den gescheiterten Gesprächen in Genf einfach hinzuwerfen, war offensichtlich ja keine gute Idee. Heute ist man Millionen von Vertriebenen und noch mal ein- oder zweihunderttausend Tote weiter. Das kann man doch nicht einfach ignorieren, besser gesagt: nicht länger ignorieren. Oder? Diese Woche setzte das Assad-Regime in der Nähe von Idlib mit Chlorgas gefüllte Fassbomben ein. Amnesty bestätigte den Tod von Kindern unter drei Jahren. Ausgerechnet jetzt, wo die USA ihre Verhandlungsabstinenz aussetzen wollen, überschreitet Assad die „rote Linie“ erneut?

Ja, ausgerechnet jetzt. Assad überlebt in Syrien nur, solange er sich als Schutzmacht gegen den IS inszenieren kann. Kehrt Frieden ein, ist er weg vom Fenster. Also wird er weder den IS ernsthaft bekämpfen noch mit dem Westen verhandeln. Sondern weiter die Zivilbevölkerung massakrieren, also den Terror am Leben erhalten.

Trotzdem sind Verhandlungen richtig. Doch es wäre hilfreich, den richtigen Feind anzusprechen. Der sitzt in Riad und in Teheran und führt in Syrien einen brutalen Stellvertreterkrieg. Der Saudi-König unterstützt den IS und die iranischen Mullahs Assad. Trotz des westlichen außenpolitischen Totalversagens ist das natürlich auch Kerry und Steinmeier klar. Wovon ist bei Gesprächen mit Assad also die Rede? Wir werden es erfahren, irgendwann und womöglich zigtausend Tote später. INES KAPPERT