Korruption liegt in der Luft

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Betreiber und 15 Kommunen: Angeblich sollen unverhältnismäßige Summen für das Aufstellen von Windmühlen geflossen sein

Rechtlich bewege man sich „in einem Schwebezustand“, sagt der Oberstaatsanwalt

Hannover taz ■ Sie verschandeln die Landschaft, die Rotoren sind zu laut, manchmal blenden sie sogar durch reflektierendes Sonnenlicht. Auch überzeugte Grünen-Wähler können zu echten Wind-Hassern werden, wenn ihnen ein Riesenspargel direkt vors Haus gestellt wird. Einer der Gegner hat jetzt einen der größten deutschen Betreiber von Windkraftanlagen angezeigt. „Wir ermitteln seit einem Jahr wegen Vorteilsnahme gegen 15 Gemeinden und den Windkraftbetreiber Winkra in Hannover“, sagt Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Lendeckel. Allein elf Gemeinden in Niedersachsen, weitere in Sachsen-Anhalt und Hessen seien im Visier der Fahnder.

Korruption liegt in der Luft. Erkaufte sich eine Wind-Mafia eine „zügige“ Genehmigung der Windspargel durch die Gemeinden? Summen zwischen 10.000 und 250.000 Euro pro Anlage sollen geflossen sein. Die Staatsanwaltschaft sieht einen „begründeten Verdacht“ für unerlaubte Kopplungsgeschäfte. „Die Anlagen stoßen ja nicht überall auf Begeisterung“, betont Lendeckel. Es ist normal, dass Windkraftbetreiber für die Verlegung von Kabeln, für die Benutzung von Wegen oder für Ausgleichsmaßnahmen an die Gemeinden zahlen. „Allerdings könnte es unerlaubt sein, wenn es um geldwerte Vorteile geht, die nicht projektbezogen sind“, erklärt der Oberstaatsanwalt. Wenn also die Winkra mit Bürgermeistern oder Gemeinderäten Summen ausgehandelt hätte, für die es keine echte Gegenleistung gibt. Rechtlich bewege man sich derzeit noch „in einem Schwebezustand“, meint Lendeckel.

„Wir sind uns keiner Schuld bewusst“, sagt Geschäftsführer Ingo Kanira. Die Winkra habe „die für andere Energieversorger üblichen Summen gezahlt“ – die könnten auch mal über 250.000 Euro liegen. Dabei gehe es nicht „um ominöse, sondern um öffentliche städtebauliche Verträge“, betont Kanira. Und: Er habe gar nichts dagegen, dass „endlich Klarheit“ in die Sache käme. Bereits im September 2003 filzten die Fahnder das Gebäude der Firma in Hannover, die vor zwei Jahren vom holländischen Energiemulti Essent gekauft worden war. Nach Kaniras Angaben betreibt sie 250 Anlagen und erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz in Höhe von 65 Millionen Euro.

Über die betroffenen Gemeinden will auch er keine Angaben machen. Auf der Winkra-Homepage ist jedoch zu lesen, dass die Firma Parks bei Emden, im ostfriesischen Utgast, auf Fehmarn oder bei Paderborn managt oder betreibt und zudem riesige Offshore-Anlagen vor Wilhelmshaven, vor Amrum und in der Ostsee plant.

„Man kann sich über diese Gebühren genauso wie über Müllgebühren streiten“, sagt Ralf Bischof vom Bundesverband Windenergie. Tatsächlich sind die Zahlungen den Windleuten natürlich ein Dorn im Auge, einige Kommunen sollen schon „mächtig die Hand aufgehalten haben“, munkelt es aus der Branche. Es geht nicht um einen Einzelfall: Die Staatsanwaltschaft Aurich stellte ein Verfahren wegen angeblicher Schmiergeldzahlungen in Höhe von 500.000 DM an eine Gemeinde in Ostfriesland ein, ein Amtsdirektor aus Brandenburg saß bereits ein halbes Jahr in Untersuchungshaft, weil er Schecks von Windleuten angenommen haben soll. Auch die Lüneburger Staatsanwaltschaft ermittelt seit April: Ein Windmühlenbetreiber soll angeboten haben, 20 Jahre lang pro Jahr 20.000 Euro als Aufwandsentschädigung zu zahlen. Diese Summe gehe „weit über die Nutzung von Wegerechten hinaus“. Kai Schöneberg