Schlichter des Familienkrachs

Rund elf Monate vor der Bürgerschaftswahl hat in Hamburg der Wahlkampf begonnen. Der designierte SPD-Kandidat Michael Naumann präsentiert sich der Öffentlichkeit. Die Krise der Partei sei ein Familienkrach gewesen, sagt er

Die Haltung eines Vollblutpolitikers hat er noch nicht. Michael Naumann stützt sich nicht auf dem Rednerpult ab, was Entschlossenheit suggerieren würde. Noch ist er jemand, der anderen Rede und Antwort stehen muss. Also platziert er sich einen halben Meter hinter dem Pult und verschränkt die Hände hinter dem Rücken, ein bisschen wie ein Schuljunge, der ein Gedicht aufzusagen hat.

Der Vortrag gelingt ihm gut. Michael Naumann, designierter Spitzenkandidat der Hamburger SPD für den Bürgerschaftswahlkampf 2008, präsentiert sich beim ersten öffentlichen Auftritt gestern in der SPD-Parteizentrale nicht nur als intellektueller Weltbürger, sondern auch als bodenständiger Hanseat. Der 65-jährige weiß genau, dass seine Stärke zugleich seine Schwäche sein kann: Mit der Hamburger Lokalpolitik hatte er bislang nichts zu tun. Das macht ihn nun einerseits zur Glanzfigur: Im parteiinternen Machtkampf der vergangenen Wochen hat er sich nicht die Hände schmutzig gemacht. Andererseits will er zum Bürgermeister der Stadt gewählt werden, und dafür muss er wissen, was die Stadt bewegt.

Redlich bemüht er sich deshalb, seinem Image als Schöngeist das eines Sozialdemokraten entgegenzusetzen, der sich der Stadt, in der er lebt, verbunden und verpflichtet fühlt. Elbphilharmonie, HHLA-Verkauf, Bildungsmisere – die nötigen Stichworte hat er parat.

Die Hamburger Sozialdemokraten sind begeistert. Die Mitglieder, die zum Auftritt in die Parteizentrale gekommen sind, hängen an seinen Lippen, als würden sie von dem Mann auf dem Podium endlich die ganze Wahrheit erfahren. Was er auch sagt: Beifall ist ihm gewiss. Ein kleiner Witz – alles lacht. Ein Seitenhieb auf den Rivalen Ole von Beust – Schmunzeln: Endlich sind die Sozialdemokraten nach wochenlangem Gezänk wieder in der Situation, sich so etwas erlauben zu können. Den Beweis, dass er auch einen Sinn fürs Praktische hat, führt Naumann mit seiner Vita: Er war Geschäftsführer mehrerer Verlage, unter anderem des Rowohlt-Verlages. Ergo habe er „Ahnung von Wirtschaft“, sagte Naumann.

Bei der Zeit, bei der er Mitherausgeber ist, hat er sich beurlauben lassen, um umgehend für die SPD dasein zu können. Inhaltlich will er sich auf ein Programm konzentrieren, das Hamburg zu einer wirtschaftlichen Metropole und sozialen Stadt zugleich machen könnte. Er hat keinen Zweifel daran, dass die Sozialdemokraten sich schnell auf ein Wahlprogramm einigen werden, „die Differenzen sind nur minimal“. Die von den Christdemokraten ausgerufene „wachsende Stadt“ sei zunehmen eine zerfallende. Sollte er im kommenden Jahr Bürgermeister sein, kündigte Naumann an, solle Hamburg eine „zusammenwachsenden Stadt“ werden.

Die Entscheidung, in dieser „prekären Situation“ für die SPD anzutreten, sei ihm nicht schwergefallen, sagte Neumann. Die unwürdigen Rangeleien der vergangenen Wochen seien nicht mehr gewesen als ein „Familienstreit“. Die Berater, auf die er im anstehenden Wahlkampf setzt, holt er sich allerdings nicht aus dieser Familie. Zum Stimmenfang will Naumann Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder nach Hamburg locken. Der sei einer der besten Wahlkämpfer, außerdem stehe Naumann voll und ganz hinter Schröders Politik. „Er hat nichts zurückzunehmen von dem, was er getan hat.“ Das ist die einzige Stelle, für die er keinen Beifall bekommt.

Auch mit dem früheren Bundeskanzler und jetzigen Zeit-Herausgeber Helmut Schmidt hat Naumann schon über seine Kandidatur gesprochen. Schmidt hatte bereits einen praktischen Tipp für ihn parat: „Such dir einen guten Finanzsenator.“ ELKE SPANNER

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