Jüttner hievt Linke rein

CDU und FDP können in Niedersachsen mit Schrammen weiter regieren. Die SPD ist auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Großer Überraschungssieger: Die Linkspartei zieht in den Landtag eines westdeutschen Flächenlandes ein

VON JAN KAHLCKE
UND KAI SCHÖNEBERG

Der gescheiterte Herausforderer kam durch die Hintertür in das Gebäude des Landtags in Hannover und entging damit der ersten Welle von Blitzlichtgewittern. Dabei sah wenig später, als Wolfgang Jüttner den Raum der SPD betrat, alles so aus, als wäre er der Sieger der Landtagswahl.

Geschlagene vier Minuten applaudierten die Genossen ihrem Spitzenkandidaten, auch wenn mancher dabei Tränen zurückhalten musste, so dass Jüttner seine kurze Ansprache gerührt mit den Worten begann: „Ihr bringt hier den ganzen Zeitplan durcheinander“.

Was dann kam, war eher eine zarte Annäherung an die Realität: „Es ist richtig, wir haben unser Wahlziel verfehlt, das ist mehr als ernüchternd. Aber wir haben deutlich gemacht, dass wir präsent sind“, kommentierte Jüttner das bei weitem schlechteste Landtagswahlergebnis in der Geschichte der niedersächsischen SPD.

Seine Partei hat laut Hochrechnungen noch einmal etwa drei bis vier Prozentpunkte im Vergleich zum bisherigen Tiefpunkt vor fünf Jahren. In SPD-Kreisen wird nach Jüttners verheerender Niederlage in Hannover mit seinem Rücktritt vom Amt des Fraktionsvorsitzenden gerechnet. Darüber wollte am frühen Sonntagabend noch niemand sprechen. Weder Jüttner selbst noch sein Fraktions-Vize Heiner Bartling, der als Nachfolger gehandelt wird (Porträt unten). Ohne ins Detail zu gehen, mit welchem Personal, kündigte Jüttner eine „knallharte Oppositionsarbeit“ an: „Diejenigen, die heute nach fünf Jahren Bestätigung erfahren haben, werden sich noch wundern, die können sich auf was gefasst machen“. Er blieb trotz der herben Niederlage trotzig: „Uns kriegt man nicht unter“.

„Dieser Rückenwind aus dem Süden ist ein Signal für Hamburg“; freute sich Linken-Spitzenkandidat Manfred Sohn. „Mit dieser Höhe hatte ich nicht gerechnet“, jubelte seine weibliche Ko-Spitzenkandidatin Krezsentia Flauger. Im kommenden Landtag seien zwar alle Fraktionsmitglieder Neulinge, aber zu Problemen wie bei den Linken in Bremen werde es nicht kommen, betonte Sohn: „Wir hoffen, dass es nicht rumpelt, sondern kracht“.

Am kommenden Dienstag will die Linke bei einem so genannten Ratschlag mit Gewerkschaften und sozialen Gruppen beratschlagen, was mit dem Ergebnis getan werden soll. Es läuft aller Voraussicht nach auf die harte Oppositionsbank hinaus. Als erstes wollen die Linken einen Antrag einbringen, „dass öffentliche Aufträge künftig nur noch an Firmen mit einem Mindestlohn von acht Euro vergeben werden“, sagte Flauger. „Das wird Leben in den Landtag bringen“.

„Christian, Christian“-Schlachtrufe und großer Applaus, als Christian Wulff sichtlich geschafft, aber mit großem Grinsen um 18.20 Uhr bei der CDU vor seine Parteifreunde tritt. „Wir haben die Wahl gewonnen“, sagt der alte und wohl auch neue Ministerpräsident. Er wolle „Niedersachsen auf der Überholspur halten“. Die CDU habe mehr Stimmen als SPD, Grüne und Linkspartei zusammen. „Darauf können wir stolz sein“, rief Wulff.

Nicht erwähnte der Regierungschef, dass seine Partei je nach Umfrage bis zu sechs Prozent oder 40 Sitze im Landesparlament verliert. Allerdings hatte die CDU 2003 mit 48,3 Prozent der Stimmen auch ein ungewohnt Ergebnis in Niedersachsen eingefahren. Wulff äußerte sich „sehr überrascht“, dass die Linke mit einem derart guten Ergebnis in den Landtag in Hannover kommt.

Die Grünen haben zwar von der Schwäche der SPD kaum profitiert, sind aber mit dem Wahlausgang dennoch zufrieden. Sie haben ihr bestes Ergebnis aller Zeiten in Niedersachsen eingefahren, und noch viel wichtiger: „Wir sind drittstärkste Kraft!“, rief Spitzenkandidatin Uschi Helmhold ihrer Fraktion zu. Dabei berief sie sich auf eine gerade erst gesendete Hochrechnung des ZDF, die die Grünen 0,4 Prozentpunkte vor den Liberalen sah.

Zumindest was die Zahl der Sitze angeht, dürften die Grünen mit der FDP gleichgezogen haben. Mehr als ein Prestigeduell, ringen doch beide Parteien um die Gunst der besserverdienende, gebildeten, urbanen Milieus.

„Ich bin super zufrieden“, sagte FDP-Spitzenkandidat Philipp Rösler. Seine Partei hatte befürchten müssen, dass die CDU die absolute Mehrheit der Sitze erringt. Nun sahen sie die Hochrechnungen etwa gleichauf mit dem Ergebnis aus dem Jahr 2003. FDP-Umweltminister Hans-Heinrich Sander freute sich, dass die Niedersachsen eine „bürgerliche Mehrheit“ statt eines „Linkblocks“ gewählt hätten.