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Das Bremer Weser-Stadion wird ab April zum reinen Fußballstadion umgebaut. Dabei entstehen keine zusätzlichen normalpreisigen Plätze, obwohl dies ursprünglich geplant war

Etliche Anwohner, die das Stadion in ihrer Nachbarschaft haben, waren gegen den Ausbau. Bei ihnen knallten die Sektkorken

Von Christian Jakob

Werder Bremen wird das Weser-Stadion für 60 Millionen Euro umbauen, ohne mehr Sitzplätze einzurichten. Ab April soll die Arena während des laufenden Spielbetriebs lediglich modernisiert werden. Ursprünglich war vorgesehen, einen dritten Tribünenrang einzuziehen. Die Sitzplatzkapazität wäre so um 8.000 auf 50.000 Plätze angewachsen.

Am Montag entschied der Aufsichtsrat des Vereins, das Stadion „in eine echte Fußball-Arena“ umzubauen. Gemeint ist: Die ovale Laufbahn soll völlig verschwinden. Die Zuschauerränge werden begradigt und rücken direkt an den Spielfeldrand. Der frei werdende Platz wird unter anderem für weitere VIP-Logen genutzt. Außerdem werden die Gastronomie- und Sanitäreinrichtungen modernisiert und größere Teile der Ränge überdacht. „Die Pläne, das Stadion zu erweitern, sind damit vom Tisch“, heißt es in einer Erklärung des Vereins.

„Wir hätten es super gefunden, wenn die Umwandlung in ein reines Fußballstadion und die Sitzplatzerweiterung möglich gewesen wären“, sagt Werder-Mediendirektor Tino Polster. Doch dies sei „unerschwinglich“ geworden. Der Verein habe „absolutes Verständnis“, dass Fans bedauern, künftig nicht einfacher an Karten zu kommen. Er sei sich jedoch sicher, so Polster, dass viele von ihnen von dem neuen Stadion „begeistert“ sein werden.

Ein Festhalten an der Erweiterung hätte Werder am Ende wohl 100 Millionen Euro gekostet. Der Grund sind die gestiegenen Rohstoffpreise: 2007 stiegen die Kosten für Baustahl um rund ein Drittel. Im dritten Tribünenrang wären rund 6.500 Tonnen Stahl verbaut worden.

„Auch 60 Millionen sind eine Mordssumme“, sagt Thomas Breitkopf vom Werder-Fanclub „Vahraonen“ und Mitglied des Dachverbands Bremer Fanclubs. „So viel Geld auszugeben, ohne Platz zu gewinnen – als normalsterblicher Fan stelle ich mir doch die Frage: Will ich mehr Komfort oder will ich ins Stadion kommen?“ Für Breitkopf ist klar: „Ich will ins Stadion – und keine goldenen Kloschüsseln.“

Auch Thomas Haffke, Mitarbeiter des Werder-Fanprojekts, sagt: „Wir wünschen uns schon seit langem eine Aufstockung der günstigen Stehplätze.“ Nun hofft er, dass durch die Begradigung der Kurven „wenigstens nicht noch Stehplätze verloren gehen“.

Der Sporthistoriker Harald Klingebiel forscht seit langem über das Weser-Stadion. „Ohne Balance zwischen teuren und normalen Sitzen ist die Atmosphäre im Stadion in Gefahr“, warnte er im Januar im taz-Interview. Die sieht er jedoch gewahrt. Die nun vorgelegten Pläne seien eine „qualitative Verbesserung“. Dass sich der Verein keine „quantitative Verbesserung“ bei der Zuschauerkapazität mehr leistet, „das schadet dem Fußball in Bremen nicht“.

Etliche Anwohner des Bremer Osterdeichs, die das Weser-Stadion quasi in ihrer Nachbarschaft haben, begrüßen die Planungs-Kehrtwende. Drei von ihnen hatten gegen den Ausbau des Stadions geklagt. Sie fürchteten „Verschattung“ und zusätzlichen Lärm durch die höheren Besucherzahlen. Anfang März wies das Oberverwaltungsgericht Bremen (OVG) ihre Klage zurück. Nun haben die juristisch unterlegenen Stadion-Nachbarn „eine Flasche Champagner darauf getrunken, dass Werder den Mut hatte, umzukehren“, sagt der Sprecher der „Bürgerinitiative Pauliner Marsch“, Udo Würtz.

„Ungewöhnlich“ findet indes das OVG, dass es sich mit der Klage von Würtz’ Initiative überhaupt befassen musste. „Bei Großprojekten bemühen wir uns sehr um rasche Verfahren“, sagte OVG-Sprecher Hans Alexy, „weil wir davon ausgehen, dass reale Interessen berührt sind“. Werder aber habe die Verhandlung stattfinden lassen, obwohl drei Tage später entschieden wurden, das Stadion gar nicht zu erweitern. „Für Werder war absehbar, dass das Verfahren gegenstandslos war“. Dies habe der Verein dem Gericht aber nicht mitgeteilt, so Alexy. „Das macht uns schon nachdenklich.“